Quellen zur Geschichte der Juden im Erzbistum Mainz (1348-1390)

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Ebm. Mainz 2, Nr. 407

1387 September 27

Grabstein des zu Mainz bestatteten Märtyrers Rabbi Simson, Sohn Menachems haLewi:

זא]ת מצבת קבורת]
'ה]ק'ר' שמשון ב'ר]
מנחם הלוי שנהרג
'ערב סוכות ק'מ'ח
'לפ'רט ונקר ביו
'שיני של חג ה'י'ד
'ת]נצבה אמן א]
א' סלה

Dies ist die Grabstele (1) des Grabes (2)
des Märtyrers Rabbi (3) Simson (4), Sohn des Herrn
Menachem haLewi, der getötet wurde (5)
am Erev Sukkot (6), [im Jahre] 148 (7)
nach der Zählung (8), und begraben wurde am zweiten
Tage des Festes. Gott räche sein Blut! (9)
Es sei seine Seele eingebunden in das Bündel des Lebens. Amen. Amen.
Amen (10). Sela.

(1) Rapp, Chronik (1977), Nr. 146, S. 59, und Glaubenszeugen (1970/71), S. 15, übertrug "Standsäule"; Salfeld (Mainzer jüdische Grabsteine, Nr. 5, S. 64), "Denkstein". 

(2) Salfeld (Mainzer jüdische Grabsteine, Nr. 5, S. 64) übertrug "Grabstätte".

(3) Avneri (Medieval Jewish Epitaphs from Magenza, Nr. 84, S. 157 f.) edierte 'הק'ר und erläuterte הקדוש רבי "des Heiligen/Märtyrers Rabbi". Rapp, Glaubenszeugen (1970/71), S. 15, transkribierte "haqqadosch r(ab)" [הקדוש ר(ב)] und übertrug ebd. sowie in Chronik (1977), Nr. 146, S. 59, "des Märtyrers Herrn". Salfeld (Mainzer jüdische Grabsteine, Nr. 5, S. 64) präsentierte in seiner Abzeichnung 'הק'ר, wobei er in dieser Darstellung nur den (aus Perspektive des Betrachters) linken Teil des "He" [ה] mit charakteristischen Merkmalen wiedergab; diese korrespondieren mit auf einer Fotografie aus den 1950er Jahren noch erkennbaren Spuren. Salfeld übertrug "des Heiligen Rabbi" und kommentierte: "Ha-Kadosch = der 'Heilige' wird ein Märtyrer genannt, der für seine Glaubenstreue sein Leben opfern mußte." Levi (Verzeichnis der alten jüdischen Grabsteine, Nr. 173) regestierte im vorliegenden Fall "Der Märtyrer Rabbi", wobei bemerkenswert ist, dass er an anderen Stellen seiner Liste "Rabbiner" (im Sinne von Amtsträger) oder "R." (im Sinne von "Herr") verzeichnete; vgl. Gross, Wörterbuch (1967), S. 454, zu רבי: "mein Herr; Gelehrtentitel; Rabbiner".

(4) Rapp, Glaubenszeugen (1970/71), S. 15, transkribierte diesen Namen "schimschon" und übertrug ihn ebd. sowie in Rapp, Chronik (1977), Nr. 146, S. 59, mit "Simson", während er in Rapp, Glaubenszeugen (1970/71), S. 9 f., ebendiesen Märtyrer mehrmals mit "Simon" erwähnte. Levi (Verzeichnis der alten jüdischen Grabsteine, Nr. 173) und Salfeld (Mainzer jüdische Grabsteine, Nr. 5, S. 64 f.) gaben den Namen mit "Simson" wieder. Schütz, Mainz (1995), S. 829, Anm. 525, wählte dagegen die Schreibung "Samson".

(5) Vgl. Salfeld (Mainzer jüdische Grabsteine, Nr. 5, S. 64); auch Schütz, Mainz (1995), S. 805, spricht von "Tötung". Levi (Verzeichnis der alten jüdischen Grabsteine, Nr. 173) registrierte "erschl[agen]". Rapp, Glaubenszeugen (1970/71), S. 15, sowie Rapp,Chronik (1977), Nr. 146, S. 59, übertrug "der erschlagen wurde". Warum Rapp, Glaubenszeugen (1970/71), S. 9 f. ["Menachem, Vater des Märtyrers Simon (1384): Erschlagen Mainz; Simon, Sohn des Menachem 1384: Märtyrer und Sohn eines Erschlagenen Mainz; 1384 Märtyrer Simon, Sohn des Erschlagenen Menachem, Mainz; (1384) Erschlagener Menachem, Vater des Märtyrers Simon, Mainz"], S. 15 ["den Märtyrer Simson, dessen Vater auch erschlagen worden war."] sowie Rapp, Chronik (1977), Nr. 146, S. 59 ["Der Märtyrer Simson, Sohn des Erschlagenen Menachem"], den Vater des Verstorbenen als Erschlagenen klassifizierte, ist unklar, da sich die Formulierung שנהרג der Grabinschrift m. E. ausschließlich auf den Verstorbenen selbst bezieht. Zur Jahreszahl "1384" bei Rapp vgl. Anm. 8.

(6) Rapp, Chronik (1977), Nr. 146, S. 59, sowie Glaubenszeugen (1970/71), S. 15, übertrug "am Vorabend des Laubhüttenfestes"; Salfeld (Mainzer jüdische Grabsteine, Nr. 5, S. 64, "am Rüsttage zum Hüttenfeste". 

(7) Die Lesung folgt Rapp: Dieses Datum entspricht 1387 September 27. Avneri (Medieval Jewish Epitaphs from Magenza, Nr. 84, S. 157) edierte die Jahreszahl 145 ('ק'מ'ה) und gelangte so zu der Entsprechung 1384 September 30. Rapp, Glaubenszeugen (1970/71), S. 15, transkribierte "qof-mem-he" [ק-מ-ה] und übertrug ebd. sowie in Rapp, Chronik (1977), Nr. 146, S. 59, die Jahreszahl mit "145"; auf diese bezogen, setzte er dieselbe Datumsentsprechung wie Avneri an. Schon früher hatte Rapp (Mainzer hebräische Epitaphien, Nr. M 139, S. 87) als von ihm vermutete Jahresdatierung "145 [=] 1384" publiziert.

(8) Avneri (Medieval Jewish Epitaphs from Magenza, Nr. 84, S. 157) erläuterte השם ינקום דמו "Der Name (Gott) räche sein Blut!". Rapp, Glaubenszeugen (1970/71), S. 15, transkribierte "h(aschschem) y(inqom) d(amo)" [ה(שם) י(נקום) ד(מו)] und übertrug ebd. sowie in Rapp, Chronik (1977), Nr. 146, S. 59, "Gott räche sein Blut!", wobei er in letztgenannter Publikation anmerkte: "Der Ausdruck 'jinkom damo' begegnet in Mainz hier ein einziges Mal." Salfeld (Mainzer jüdische Grabsteine, Nr. 5, S. 64, übertrug "Gott möge sein Blut rächen!" und kommentierte: "Die Formel 'Gott möge sein Blut rächen!' ist eine Euphemie für Märtyrer und Opfer von Gewalt, sie entsprang dem Glauben an die Vergeltung und hatte ihr Vorbild in der Verheißung Moses: 'Gott wird das Blut seiner Knechte rächen' (5. Mos[e] 32, 43)."

(9) Rapp, Glaubenszeugen (1970/71), S. 15, transkribierte "we'a(men)" [וא(מן)] und übertrug ebd. sowie in Rapp, Chronik (1977), Nr. 146, S. 59, "und (nochmals) Amen". Bei dem von ihm vermuteten Waw [ו] "und" handelt es sich nach Ausweis der erwähnten Fotografie jedoch wohl um eine (inzwischen) bedeutungslose Spur, die vielleicht auf einen ersten Gravierungsversuch des dritten Alef [א'] zurückgeht, bevor man sich nämlich entschloss, dieses dritte Alef [א'] zusammen mit סלה "Sela" ungefähr in der Mitte der letzten Zeile zu positionieren.

Überlieferung:

Mainz, Judenfriedhof Denkmalsanlage, Nr. 146, hebr.

  • Medieval Jewish Epitaphs from Magenza, Nr. 84, S. 157 f.;
  • Rapp, Glaubenszeugen (1970/71), S. 15 (mit dt. Übersetzung);
  • Mainzer jüdische Grabsteine, Nr. 5 (Abzeichnung und dt. Übersetzung), S. 64 f.
  • Rapp, Chronik (1977), Nr. 146 (dt. Übersetzung), S. 59;
  • Mainzer hebräische Epitaphien, Nr. M 139, S. 87;
  • Verzeichnis der alten jüdischen Grabsteine, Nr. 173.
  • Schütz, Mainz (1995), § 13c,d, S. 805 und S. 829, Anm. 525;
  • Rapp, Glaubenszeugen (1970/71), S. 9 f.

Kommentar:

Salfeld (Mainzer jüdische Grabsteine, Nr. 5, S. 64 f.) kommentiert: "Neubauer teilt […] eine Elegie auf den Märtyrertod eines Simson in Mainz, im Jahre 5036 = 1276 von Benjamin ha- Sofer mit […]. Die Überschrift der Elegie lautet übersetzt 'über eine Heiligung, die sich in Mainz im Jahre 36 {=1276} zugetragen hat'. Da Überschriften in Manuskripten, oft von späterer Hand hinzugefügt, nicht zuverlässig sind, so bliebe zu ermitteln, ob der Verfasser, der am Schlusse der Elegie zeichnet: 'Ich, Benjamin ha-sofer … verfaßte dieses Lied auf … den Heiligen Simson', sich oder ob ein anderer in der Datierung nicht etwa geirrt hat. Denn aus 1276/77 ist kein Martyrium aus Mainz bekannt, dessen Schrecken weitere Kreise ergriffen hätte, wohl aber dürfte ein solches u. a. in dem letzten Viertel des 14. Jahrhunderts sich ereignet haben, in einer ruhelosen Zeit, in der Plünderung, Raub und Mord nicht selten waren."     

(kcu.) / Letzte Bearbeitung: 08.10.2019

Zitierhinweis

Corpus der Quellen zur Geschichte der Juden im spätmittelalterlichen Reich, hg. v. Alfred Haverkamp und Jörg R. Müller, Trier, Mainz 2016, MZ02, Nr. 407, URL: https://www.medieval-ashkenaz.org/MZ02/MZ-c1-00co.html (Datum des Zugriffs)

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