Quellen zur Geschichte der Juden im Erzbistum Mainz (1348-1390)

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Ebm. Mainz 2, Nr. 246

1379 September 21

Grabstein des zu Mainz bestatteten Juden Chajim, Sohn Schemarjas haLewi:

צור עולמים קבל ברחמים
נשמת הנעים ר' חיים
בר' שמרי' הלוי שנפטר
בשם טוב יניק וחכים
ביום] ב' |בשבת י[']א' כסלו שנת]
ק'ם' לאלף הששי תהא
נשמתו צרורה בצרור
'החיים א' א' א' ס

Fels der Ewigkeiten! (1) Empfange mit Erbarmen (2)
die Seele des angenehmen Herrn Chajim,
Sohn des Herrn Schemarja haLewi, der verstarb
in gutem Namen, jung und gelehrt, (3)
[am Tag] 2 (Montag) (4) | am Sabbat, dem 11. Kislev, im Jahre
140 (5), im sechsten Jahrtausend. Es sei
seine Seele eingebunden in das Bündel
des Lebens. Amen. Amen. Amen. Sela. (6)

(1) Vgl. Jesaja 26, 4. Gemeint ist Gott.

(2) Auf einer Fotografie der 1950er Jahre ist zu erkennen, dass die Buchstaben ים von ברחמים innen bzw. vorne in den vorstehenden Rahmen der Schreibfläche eingraviert wurden.

(3) Lesung hier nach Salfeld (Mainzer jüdische Grabsteine, Nr. 14, S. 65), der kommentierte: "das 'jung und weise' {auch gelehrt} = chald[äisch] "janik w’chakim" [יניק וחכים] kommt im Talmud, Kidduschin 32b, vor und wird öfter gebraucht." Avneri (Medieval Jewish Epitaphs from Magenza, Nr. 81, S. 157) edierte die Stelle צילו השיב und fügte diesem Identifizierungsversuch ein Fragezeichen in runden Klammern hinzu.

(4) Das im vorliegenden Fall als Zahlbuchstabe zu interpretierende markierte Bet ['ב] wurde in die Vorderseite des Rahmens graviert. Da es als dem ursprünglichen Text (später?) beigegebener Zusatz zu verstehen ist (vgl. Anm. 5), wird es hier durch einen Trennstrich von dem ursprünglichen Text abgesetzt; vgl. auch die Juxtaposition der Wochentage in der Übersetzung. Avneri (Medieval Jewish Epitaphs from Magenza, Nr. 81, S. 157) edierte ohne Kommentar ב' בשבת.       

(5) Dem 11. Kislev (5)140 entspricht 1379 September 21, ein Montag. Avneri (Medieval Jewish Epitaphs from Magenza, Nr. 81, S. 157) nahm nur den genannten Wochentag 'יום ב ("Tag 2" = Montag) in seine Überschrift auf, nicht (zusätzlich) die im (Haupt-)Text verzeichnete Angabe בשבת ("am Sabbat"), wohl da diese mit dem angeführten Datum kalendarisch nicht korrespondiert. בשבת ("am Sabbat") bezieht sich wahrscheinlich (nur) auf שנפטר ("der verstarb"), also den Wochentag des Todes, während es sich bei dem Monatsdatum "11. Kislev" (י'א' כסלו) um den Begräbnistag handelt, da am Sabbat üblicherweise nicht beerdigt wurde. Möglicherweise vergaß man bei der Erstgravur, zwischen בשבת und י'א' כסלו eine Formulierung wie ונקבר ("und er wurde begraben") zu setzen. Als man sich (später?) bewusst wurde, dass das unvermitteltete Nebeneinander von בשבת und י'א' כסלו den Eindruck einer kalendarischen Unstimmigkeit erwecken könnte, gravierte man zusätzlich die Zahl des Begräbniswochentages in die Vorderseite des Rahmens.

(6) Diese Grabinschrift unterscheidet sich - wie die für Guthil, Tochter Jakobs (MZ01, Nr. 114) - von den anderen zeitgenössischen Epitaphen durch die Anrufung Gottes, und zwar mit den Worten einer Jesaja-Stelle, die man ebenso mit "ewige Zuflucht" wiedergeben könnte. Erst nachdem die Seele des Verstorbenen dem Erbarmen Gottes übergeben wurde, folgen Formulierungen, die man auch in anderen Grabinschriften findet.

Überlieferung:

Mainz, Judenfriedhof Denkmalsanlage, Nr. 143, hebr.

  • Medieval Jewish Epitaphs from Magenza, Nr. 81, S. 157.
  • Rapp, Chronik (1977), Nr. 143, S. 59;
  • Mainzer hebräische Epitaphien, Nr. M 136, S. 87;
  • Verzeichnis der alten jüdischen Grabsteine, Nr. 170;
  • Mainzer jüdische Grabsteine, Nr. 14 (Übersetzung und Kommentar), S. 65.

(kcu.) / Letzte Bearbeitung: 18.08.2020

Zitierhinweis

Corpus der Quellen zur Geschichte der Juden im spätmittelalterlichen Reich, hg. v. Alfred Haverkamp und Jörg R. Müller, Trier, Mainz 2016, MZ02, Nr. 246, URL: https://www.medieval-ashkenaz.org/MZ02/MZ-c1-00cj.html (Datum des Zugriffs)

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