Quellen zur Geschichte der Juden im Erzbistum Mainz (1348-1390)

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Ebm. Mainz 2, Nr. 103

1365 Januar 25

Bürgermeister und Rat der Stadt Mainz bekunden, dass sie den Juden Meister Jakob (meister Jacob), Rabbi von Nordhausen (raby von Nordhusen), seiner Ehefrau Bolde, seinen beiden Söhnen Kaufmann und Liebmann und deren Frauen, seinem Enkel Meier (Meyer) und ihren Kindern, gleich ob verheiratet oder ledig (beraden oder unberaden), sowie ihrem Brotgesinde mit Leib und Gut für die nächsten vier Jahre als ihren Juden und Bürgern freies Geleit gewährt und sie wie ihre anderen Juden und Bürger in ihre Bürgerschaft und ihren Schutz aufgenommen haben. Dafür müssen die Juden den Rechenmeistern der Stadt in jedem Jahr 80 Goldgulden entrichten, nämlich Meister Jakob 45, Kaufmann 15 und Meier 20 Gulden, wie diese sich untereinander geeinigt haben. Darüber hinaus sollen sie zu keinen Zahlungen, Anleihen oder Gaben gezwungen werden können und auch keinen Beitrag zu den 112 Mark [Pfennigen] leisten müssen, die die Stadtgemeinde [wegen der Juden] alljährlich zu Martini (1) an das Domkapitel bezahlt. (2) Falls jemand den Juden mehr als den in jedem Jahr vom Reich beanspruchten Goldenen Opferpfennig (gulden opperpenig) abfordert, sollen ihnen die Aussteller helfen und sie beraten, so dass ihre hergebrachten Rechte nicht verletzt werden (daz sie by den alten gesezten iuddischen rechten verbliben ungeverlich). Sind Bürgermeister und Rat jedoch unwillig, so zu handeln, da sie sich um [damit verbundene] Kosten, Mühen und Unmutsäußerungen der Bürger sorgen, werden sie den Juden Schirm und Geleit mit einer Halbjahresfrist aufkündigen, ihnen beim Abzug helfen, sie in dieser Zeit von niemandem überfallen oder schädigen und sie ungehindert zu Wasser oder zu Lande zu ihrem frei gewählten Ziel reisen lassen. In solchem Fall würde ihnen zuviel gezahlter Jahreszins erstattet. Kehren die Juden indes innerhalb der Vier-Jahres-Frist nach Mainz zurück, gilt ihr Aufnahmevertrag unverändert fort. Innerhalb dieser Zeit können sie auch mit auswärtigen Herren oder deren Amtleuten Vereinbarungen treffen, damit diese ihnen helfen, eventuelle Schulden auf dem Lande einzutreiben, doch dürfen an Bürgermeister, Rat oder Bürgerschaft zu Mainz deswegen keine Forderungen gestellt werden. Ziehen die Juden innerhalb der vier Jahre aus der Stadt fort, zahlen sie ihren Zins stets nur noch für das volle, am nächstfolgenden Ausstellungstag vorliegender Urkunde endende Jahr, allerdings auch dann, wenn dieses Datum etwa nur (3) einen Tag oder eine Woche zurückliegt. Innerhalb der vier Jahre werden die Aussteller die jüdischen Rechte und alten Gewohnheiten der Juden wahren. Die genannten Juden sollen mit den anderen Juden zusammen je nach der Zahl der Männer ihren Beitrag leisten zum Säckel des Bürgermeisters, zu ihrer Almosenkasse und zu ihrer Schule (zu dem burgermeister secklen, zu irem almusen und zu ire schule), doch soll kein Jude den anderen darüber criegen […] er tun esz dan gerne. (4) Juden, die nicht in Schirm und Geleit der Stadt Mainz stehen, sollen nach dem Willen der Aussteller keinerlei Besitz- oder Nutzungsrechte an dem haben, was den Ausstellern und der jüdischen Gemeinde (unse iuddischheit) in Stadt und Bannbezirk (burgbann) von Mainz gehört. Gegen Meister Jakob und seine Angehörigen soll niemand in Mainz Klage erheben dürfen, es sei denn, er habe ehrbare Christen und ehrbare Juden, die Bürger der Stadt sind, als Zeugen (er du esz dan mit erbern cristen und mit erbern iudden, die unse burger sint). Nach Ablauf ihres Schutzbriefes sollen die Juden oder ihre Erben keine Ansprüche mehr an die Stadt Mainz haben, außer dass sie ihre Darlehen an die Bürger einfordern dürfen. Haben sie vor Ausstellung vorliegender Urkunde oder im Verlauf der darauf folgenden vier Jahre den Schutz auswärtiger Herren oder Städte erlangt (weresz, daz sich die obgenanten iudden vor diesem geding - uebirkomen - virherret hetten oder an diesen nechsten zukunftigen vier iaren virherre oder virburgern wurden), sind Bürgermeister und Rat damit unter der Voraussetzung einverstanden, dass, wenn die genannten Juden sich mit Mainzer Bürgern oder Auswärtigen (uszman), gleich ob Christen oder Juden, oder umgekehrt diese sich mit besagten Juden wegen einer Geldschuld entzweiten, letztere oder ihre Erben bzw. Beauftragten nur vor den Ausstellern bzw. den Bürgermeistern Recht suchen, an deren Entscheide sich beide Parteien zu halten haben. Abschließend wird Meister Jakob die Vergünstigung zuteil, dass die Studenten, die um des Lohns willen (umb lonne) (5) zu ihm kommen werden, als Geleitzoll nicht mehr als zwei Gulden pro Jahr bezahlen müssen, einen im Winter und einen im Sommer, und es wird versichert, dass Jakob als jüdischer Rabbiner ungehindert fungieren kann (und waz ein iuddischer raby geburt zu dune, daby wollen wir ym verlieben lassen ungeverlich). (6)

(1) November 11.

(2) Vgl. MZ01, Nr. 54.

(3) An der Stelle des von Schaab hier transkribierten nie dürfte dem Sinn nach eher nur gestanden haben.

(4) Schaab transkribierte zwar hier das Verb triegen = "betrügen", doch dürfte es in der Urkunde richtig criegen = "bekriegen" im Sinne von "zwingen" geheißen haben. Dennoch bleibt der Satz unklar.

(5) Das bedeutet, dass sie den Rabbiner für seinen Unterricht entlohnen.

(6) Zur Provenienz dieser Urkunde gab Schaab, Diplomatische Geschichte (1855), S. 102, Anm. 1, an: "Diese schöne Urkunde befindet sich im Landesarchiv zu Darmstadt. Sie ist sehr beschädigt."

Überlieferung:

Darmstadt, StA, Signatur unbekannt, Orig. (stark beschädigt), dt., Perg.

  • Schaab, Diplomatische Geschichte (1855), S. 98-102 (zu Juni 30, leicht gekürzt, vermutlich mit zahlreichen kleineren Lesefehlern).
  • Salfeld, Geschichte (1916), S. 156 (zu Juni 30).
  • Schütz, Magenza (1998), S. 683;
  • GJ 3, 2, S. 790, 798 (18), 801 (34) und 995;
  • Falck, Glanz (1978), S. 35;
  • Menczel, Beiträge (1932), S. 35 f. und 87, Anm. 233 (zu Juli 30);
  • Stern, Bevölkerung 3 (1894-1896), S. 324.

(gem.) / Letzte Bearbeitung: 20.12.2016

Zitierhinweis

Corpus der Quellen zur Geschichte der Juden im spätmittelalterlichen Reich, hg. v. Alfred Haverkamp und Jörg R. Müller, Trier, Mainz 2016, MZ02, Nr. 103, URL: https://www.medieval-ashkenaz.org/MZ02/MZ-c1-00a7.html (Datum des Zugriffs)

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