Quellen zur Geschichte der Juden im Erzbistum Mainz (1348-1390)

Zurück zur Übersicht

548 Quellen in diesem Teilcorpus. Sie sehen die Quelle 336.

Ebm. Mainz 2, Nr. 245

1379 September 12

In einem Instrument, das der öffentliche kaiserliche Notar (von keysirlichir gewalt uffinbar gesworn schribir) Theodor Elxleben (Elxleiben), Kleriker des [Erz-]Bistums Mainz (Mentzir bischoms), im Jahr 1379 nach Christi Geburt, in der zweiten Indiktion und im zweiten Jahr unter Papst Urban VI., am 12. Tag des Monats September um die Zeit der Terz (da man czalte noch Cristi geburt tusent druͤhundirt, darnoch in dem nuͦn und sibenczigistine iare, der andirn indicien, in dem andern iare, dez allir heilgistin in Gote vatirs und herrnn, hern Urbans dez seysztin, babistes, an dem tzwelfftin tage dez manden man schribit septembris, umbe tercie czijt) gefertigt hat, bekundet er, dass die Räte, Schöffen und Bürger aus der Stadt Hersfeld, die Armen wie die Reichen, die Christen wie die Juden (die ersamen und bescheiden lute, rete, scheffin und die burgere gemeinlich, armᵉ und riche, cristen und iuden usz der stad Hersfelden), nach ihrer Gewohnheit außerhalb der Stadt vor dem St. Johannestor alle gemeinsam unter Glockengeläut erschienen und sich teils zu Fuß und teils zu Pferde in der zum [Schloss] Eichhof (gein den Eychin) führenden Straße versammelten. An ihrer Spitze standen Hermann Brückenmüller (Herman Bruckinmullir) und Peter Keschen (Petir Keschin), Schöffen zu Hersfeld, die von den Räten, Schöffen und der ganzen Bürgerschaft bevollmächtigt waren. Bei der 'Gedränge' (gedrenge) genannten Gemarkung gewahrten sie Konrad (Kurd) Hüter (Curd Hutir), Pfarrer zu Amera, den Inhaber an Richters Statt des Gerichts des Mainzer Erzbischofs [Ludwig von Meißen] (eyn hanthebir und besiczer dez gerichtes dez heiligin Menczschin stulis an eyns richtirs stad) zu Hersfeld, sowie den Edelknecht (wepener) Heinrich von Rotenberg, den Vogt zu Hersfeld Junker Hermanns [II.], des Landgrafen von Hessen (dez uszirluchtin fursten iunghern Herman lantg[reve] czuᵉ Hessin). Darauf wurde der Abt von Kloster Hersfeld verständigt, dass die Hersfelder ihm, dem Dekan und dem gesamten Konvent des Reichsstifts das eidlich zu beschwören beabsichtigten, worauf sie der Landgraf als gewählter Schiedsrichter in den vergangenen Streitigkeiten zwischen den Bürgern und dem Abt verpflichtet hatte. Letzterer erklärte sich nach einigen Unterhandlungen bereit, die erbetene Eidesleistung vornehmen zu lassen unter der Bedingung, dass jeweils zwei Bürger nacheinander, denen er dazu Geleit zusicherte, in den Eichhof kämen und dort, ein jeder für sich, die vom Landgrafen festgelegten Artikel im Einzelnen beschworen, angefangen mit den Hersfelder Schöffen Hermann Brückenmüller und Peter Keschin. Die Bürger beharrten jedoch darauf, die Eidesleistung vor den Eichen, d. h. dort, wo sie sich versammelt hatten, gemeinsam bzw. seitens der in den Artikeln ausdrücklich erwähnten Zünfte, Handwerke oder Bürger gesondert vornehmen zu lassen, und boten durch genannte Mittelsleute an, dass Abt Berthold zu der Zeremonie mit dem Dekan und den Mitbrüdern des Stifts zu ihnen komme oder jemanden dazu entsende. Der Abt bestand jedoch auf seinen Bedingungen. Weil die Zeit schon fortgeschritten war, ließen die versammelten Hersfelder durch Ausruf erfragen, ob jemand seitens des Abts, des Dekans oder des Konvents anwesend sei, und erklärten, sie seien des Wartens müde. Nachdem sie dies dreimal getan hatten, wandten sich die Räte, Schöffen und Bürger von Hersfeld an den mainzischen Richter Konrad Hüter und baten ihn, nach Zahl und Wortlaut der Artikel jeweils einen Eid nach dem anderen vorzusprechen, damit sie ihn zu den Heiligen beschworen. Da der Richter damit einverstanden war, verlas der Notar Theodor Elexleben nun die Urkunden über die Artikel des landgräflichen Schieds und diese selbst. Das Gleiche tat sodann Richter Konrad und ließ die Räte, Schöffen und Bürger, Zünfte und Handwerksmeister bzw. gesondert beschuldigte Personen mit aufgereckten Fingern bezüglich jedes einzelnen der insgesamt über 40 Artikel, die Anklagen seitens des Abts enthielten, dass dessen diverse Rechte verletzt worden seien, einen Reinigungseid leisten. Derselbe Vorgang wiederholte sich anschließend bei und mit den Leistungen von Eiden, dass die Schwörenden unschuldig seien, die in den übrigen Klageartikeln spezifizierten Rechte des Dekans und Konvents von Kloster Hersfeld verletzt zu haben. Nachdem allen Bürgern die Eide abgenommen worden waren, die sie mit aufgerichteten Fingern geschworen hatten, gingen sie durch den Baumschlag vor den Eichen und leisteten noch einen weiteren, wiederum zu den Heiligen geschworenen Eid, diesmal mit erhobenen (uffgelachtin) Händen, dass sie alle besagten Artikel in ihrer Gesamtheit und jeden einzelnen von ihnen rechtmäßig beschworen hätten und dass sie unschuldig seien, ein jeder einzeln. Als letzte beeideten dies drei Juden, die Hersfelder Bürger waren und ihre Hände dazu auf die Tora legten. Sie beschworen auf diese Weise nach dem jüdischen Gesetz ihre Unschuld an den in den einzelnen Artikeln enthaltenen Beschuldigungen seitens des Abtes, des Dekans und der Stiftsgeistlichkeit zu Hersfeld (Zulest traden dar dry iuden, burger zu Hersfeld, myd ingelachtin henden in yr buch, daz sie benanten Moyses buch, und swuren bi allen den stugken nach yrme iudischen gesetze, die imme rechte uff yre eyd gesazt sin, daz sie und ir yclicher, aller der vor derzalten artikel und schuldigunge, des aptes, techen und der herrn dez styfftz zu Hersfeld unschuldig sin noch lute und haldunge, als sie vor derzalt sin).

Richter Konrad Hüter kündigt das Siegel des Gerichts des heiligen Stuhls zu Mainz an, der Notar Theodor Elxleben sein Notariatssignet.

Überlieferung:

Bad Hersfeld, StadtA (Louis-Demme-Archiv), Urk. 1379 Sept. 12, Orig., dt., Perg.

  • Demme, Nachrichten 1 (1891), Beilage 44, S. 173-184 (fehlerhaft).
  • Bad Hersfeld. Textheft (2007), S. 33;
  • GJ 3, 1, S. 548 f.;
  • Handtke, Geschichte (1986), S. 31;
  • Schoof, Krämerhaus (1927/28), S. 69;
  • Neuhaus, Geschichte (1927), S. 101 (zu 1378);
  • Butte, Stift und Stadt Hersfeld (1911), S. 74 und 129 f. mit Anm. 1;
  • Demme, Nachrichten 1 (1891), S. 30.

(gem.) / Letzte Bearbeitung: 17.08.2018

Zitierhinweis

Corpus der Quellen zur Geschichte der Juden im spätmittelalterlichen Reich, hg. v. Alfred Haverkamp und Jörg R. Müller, Trier, Mainz 2016, MZ02, Nr. 245, URL: https://www.medieval-ashkenaz.org/MZ02/MZ-c1-009x.html (Datum des Zugriffs)

Lizenzhinweis

Die Datensätze stehen unter einer Creative Commons Attribution 4.0 International (CC BY 4.0) Lizenz und können unter Berücksichtigung der Lizenzbedingungen frei nachgenutzt werden. Sofern nicht anders angegeben, sind die verwendeten Bilder urheberrechtlich geschützt.

Zurück zur Übersicht