Quellen zur Geschichte der Juden im Erzbistum Mainz (1348-1390)

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Ebm. Mainz 2, Nr. 102

[1365]

Erzbischof Gerlach von Mainz bekundet, dass er seinen Juden in Bingen ein Privileg verliehen hat. Es enthält folgende Bestimmungen: 1. Der Erzbischof hat den Juden seinen Viztum im Rheingau, Ulrich von Kronberg, zum Richter gegeben. Falls jemand einen Binger Juden verklagen will, muss dies vor dem Viztum geschehen oder, sollte dieser nicht im Lande weilen, vor seinem von ihm bestimmten Stellvertreter. Klagen gegen die Juden vor anderen Gerichten sind unstatthaft. [2.] Die Pfarerr zu Bingen dürfen keine gegen Binger Juden gerichtete Lade- oder Bannbriefe annehmen oder für deren Durchführung sorgen. [3.] Alle mainzischen Bürger zu Bingen sind verpflichtet, die Juden zu beschützen, wenn jemand diese in ihrer Gegenwart mit Worten oder tätlich angreift und sie dies unmittelbar wahrnehmen. Helfen sie ihnen nicht, wird eine Sanktion des Erzbischofs erfolgen. [4.] Möchte einer der Juden einen Auswärtigen in Bingen aufhalten ohne einen Richter bei der Hand zu haben, soll der nächstbeste Bürger, den der Jude deswegen anspricht, den Ausmann bzw. die Ausleute festhalten, bis ein Richter zur Verfügung steht. Wer sich dem verweigert, hat das Gebot des Erzbischofs gebrochen. [5.] Wer einen Binger Juden schlägt oder mit dem Messer verletzt, soll über keinerlei Geleit verfügen. [6.] Alle mainzischen Amtleute haben den Befehl, den Binger Juden in Schuld- und anderen Angelegenheiten zu helfen und sie zu beschützen. 7. Diese Bestimmungen gelten bis zu ihrem Widerruf durch Gerlach, seine Nachfolger oder das [Erz-]Stift.

Wir, G[erlach] etc., tun kunt etc., daz wir unsern iuden zuͦ Bynge soliche gnade getan han, als hernach geschriben stet. Zum ersten, daz wir yn Ulr[ich], unsern vitzdum in dem Ryngau, zuͦ eyme richter han gegeben also, wer yn zu zesprechen habe, daz yn der vor yme zuspreche oder, wanne der vorgenante Ulr[ich] in dem lande nyt enist, wen er dan den vorgenanten iuden yn zu richter setzet oder beviͤlet an sine stad, der sal ir richter sin. Und ensal man keynen der vorgenanten iuden an keyne andern gerichte beclagen. Auch gebieden wir den phernern zuͦ Bynge, daz sie keynen ladebryff oder banbryff wyder die vorgenanten unsere iuden nemen sollen oder exequeren. Auch gebieden wir unsern burgern zuͦ Bynge, wers daz yman diᵉ vorgenanten unsere iuden mit worten oder mit werken ubilhandelte, wilch unsere burgere dabi stunden und daz horten, der sal sie beschuden, welcher des nyt entede, zu dem wolden wir des wartende sin. Wer auch, daz der vorgenanten unsere iuden eynichen uszman (1) zu Bingen offhalden wolden und keynen richter by yn hetten, der nehste unsir burger, dem der iude darumbe zuspreche, der sal den oder die halden bit off eynen richter. Welcher des nyt entede, der hat unsir gebot gebrochen. Und wer der vorgenanten iuden eynichen sluͦge oder steche, des wollen wir nyt, daz der iergen geleide habe. Und bevelen wir unsern amptluden ernstlichen, daz sie den vorgenanten iuden zuͦ iren schulden und sachen sollen sin beholfen und sie schuren und schirmen, ane alle geverde. Und sollen alle diese vorgeschriben stucke und artikele weren und sten alslange, bit daz wir, unsir nachk[omen] und stift daz wyderrufen. Datum etc. (2)

(1) Ein Auswärtiger, der nicht im Gebiet der Binger Mark wohnt.

(2) Die im Mainzer Ingrossaturbuch 5 nächstfolgende Urkunde, abgeschrieben von derselben Hand, datiert vom 26. September 1365. Möglicherweise stammt daher auch das Binger Judenprivileg aus besagtem Monat, doch wurde die chronologische Reihenfolge der Dokumente nicht immer eingehalten.

Überlieferung:

Würzburg, StA, Mainzer Ingrossaturbuch 5, fol. 595r (Zählung oben) = fol. 173r (Zählung unten), Abschr. (leicht gekürzt, 14. Jh.) (B), dt., Papier; Darmstadt, C 1 A, Nr. 67, fol. 20r (Abschr., 18. Jh) (C); ebd., A 14, Nr. 226 (Fotokopie von B).

  • Bodmann, Alterthümer 2 (1819), S. 557 (aus B; mit Fehlern und nicht der Vorlage entnommener Intitulatio und Datierung).
  • Quellen zur Geschichte der Juden im STA Darmstadt, Nr. 153, S. 45 (zu September 1365);
  • Judaica im Staatsarchiv Darmstadt 1, Nr. 97, S. 21 (zu September 1365);
  • REM 2, 1, Nr. 2047, S. 461;
  • Regesten zur Geschichte des Niederrheingaus, Nr. 26, S. 498;
  • Codex juris municipalis, S. 225;
  • Regesta Bingiensia, Nr. 320, S. 30 f.;
  • Regesten der bis jetzt gedruckten Urkunden zur Landesgeschichte 3, Nr. 3173, S. 213.
  • Battenberg, Judenschutz (1996), S. 62;
  • Schütz, Gemeinde (1989), S. 285;
  • GJ 3, 1, S. 119;
  • Witte, Herrschaft (1959), S. 125;
  • Zur Geschichte der Juden in Bingen (1905), S. 10;
  • Stobbe, Juden (1866), S. 257;
  • Codex diplomaticus sive anecdotorum 1, S. 963.

(gem.) / Letzte Bearbeitung: 20.12.2016

Zitierhinweis

Corpus der Quellen zur Geschichte der Juden im spätmittelalterlichen Reich, hg. v. Alfred Haverkamp und Jörg R. Müller, Trier, Mainz 2016, MZ02, Nr. 102, URL: https://www.medieval-ashkenaz.org/MZ02/MZ-c1-007f.html (Datum des Zugriffs)

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