Quellen zur Geschichte der Juden in Frankfurt und der Wetterau (1348-1390)

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Reichsstadt Frankfurt und Wetterau 2, Nr. 113

1349 Juni 25, Frankfurt a. M.

Karl [IV.], römischer König und König zu Böhmen, bekundet, dass er nach Beilegung des Thronstreites und den hierbei entstandenen Kosten mit den Schöffen, dem Rat und den Bürgern der Stadt Frankfurt verhandelt habe und beide Parteien zu Ehre und Nutzen des Reiches dahingehend miteinander übereingekommen seien, dass ihm die Stadt einen Betrag von 15.200 Pfund Heller übergeben habe, wofür ihr Karl [IV.] die zurzeit und nachmals zu Frankfurt lebenden Juden, seine Kammerknechte, arm und reich, unter Einschluss ihrer Leiber und ihres Eigentums, gelegen zu Frankfurt oder andernorts, besonders ihre Höfe, Häuser, ihren Friedhof und Schulhof sowie ihr Eigen und Erbe innerhalb und außerhalb der Stadt verpfändet habe (haben wir in zu pfande gesatzt und verpfendet unsir juden gemeinlichen zu Frankenfuͦrt, unsir camerknechte, ryͤch und arm, di itzunt do sint adir her noch dar komen muͦgen, samenthaft und besundirn, ir leib und ir guͦt zu Frankenfuͦrt adir uzwendig derselben stat, in der selben termenye adir anderswo […] mit namen ire hoͤfe, ir husere, iren kirchhof, iren schulhof, ir eygen und ir erbe und was sy haben, ynnewendig adir uzwendig der stat zu Frankenfuͦrt gelegen). Die Juden und ihr Besitz sollen für die Dauer der Pfandschaft vollständig den Bürgern der Stadt Frankfurt zu Nutze stehen, und gegenüber dem Reich zu keinerlei Geldleistungen, Diensten, Schatzungen oder Forderungen verpflichtet sein, mit Ausnahme der durch das Reich an das Erzstift zu Mainz (stifte von Mentze) und an die Herrschaft von Eppstein (herschaft von Eppinsteyn) versetzten Anteile. Ausgenommen von der Verpfändung sind ebenfalls die Sachleistungen, welche die Juden bei Königsaufenthalten an den Hof zu leisten haben, und die aus der Lieferung von Pergament an die Kanzlei, Betten an den Hof sowie Kesseln an die Küche bestehen (das si uns dan dienen sullen in unsir cantzelarye mit permynte, in unsirn hof mit betten, in unsir koͤchen mit kesselen, als gewoͤnlich ist) sowie aus den Zahlungen an die königlichen Amtleute (uzgenomen unsir amplewte iren rechten). (1) Von zukünftigen Anweisungen auf die Steuer, den Besitz und die Außenstände der Frankfurter Juden verspricht der König für die Dauer der Pfandschaft abzusehen, wobei aus Vergessenheit (das wir uns vergezzen) geschehene Anweisungen ungültig sein sollen, es sei denn, die Juden stimmen der Anweisung zu (es wer dann mit irem guten willen). Bei gerichtlichen Auseinandersetzungen mit einem Angehörigen der Frankfurter Judengemeinde oder der Gemeinde als solcher, hat die Klage ausschließlich vor Schultheiß und Schöffen zu Frankfurt zu erfolgen; Ladungen vor fremde weltliche Gerichte, geistliche Gerichte sowie vor das königliche Hofgericht sollen unwirksam sein. Für den Fall, dass Karl [IV.] selbst oder seine Nachfolger im Reich die Pfandschaft über die Juden zu lösen beabsichtigten, so wird den Juden über das Datum der Einlösung hinaus ein auf zwei Monate begrenztes Aufenthaltsrecht in der Stadt eingeräumt. Sofern - was Gott verhüten möge - die Juden sterben, erschlagen werden oder flüchteten, so verspricht der König, die Stadt nicht hierfür zur Verantwortung ziehen zu wollen (wer es ouch, das got nicht enwelle, das di juden von todes wegen abgingen adir virterbit adir dirslagen wurden adir enweg fuͦren […] dorumb ensullen wir adir unsir nochkomen an dem reich […] unsern und des reichs burgern und stat zu Franckenfrͧt […] nymmer zu gesprechen, noch si dorumb geargewenigen noch an sy nicht fordern) und erlaubt den Bürgern zu Frankfurt, das hinterlassene Gut und Eigentum der Juden an sich zu ziehen, damit bis zum Erreichen der Pfandsumme nach Gutdünken verfahren können (das gut veruͦzsern, verkouͦffen adir versetzen, wi sy muͤgen adir wellen) und allein die hierüber hinausgehenden Gelder an das Reich abtreten. König Karl [IV.] verspricht, die derzeit oder nachmals zu Frankfurt lebenden Juden, ihr Leib und Eigentum zu schützen und zu schirmen und sie bei ihren Rechten, Freiheiten und Gewohnheiten halten zu wollen, und gebietet dem königlichen Landvogt in der Wetterau (in der Weterye) sowie allen Fürsten, Grafen, Herren, Freien, Dienstleuten, Rittern, Knechten, Edlen und Unedlen, die Stadt Frankfurt und ihre Juden zu beschützen und droht allen Zuwiderhandelnden mit Verlust der königlichen Gnade. Den Bürgern Frankfurts sichert der König seine Unterstützung beim Schutz der Juden zu. Der Aussteller siegelt.

Der geben ist zu Franckenfuͦrt, noch Crists geburth drewzehen hundert und neun und viertzig jar, an dem nehisten donrstag noch sante Johans tag baptisten, im dritten jar unsir reiche etc.

(1) Vgl. FW02, Nr. 121.

Überlieferung:

Frankfurt, ISG, Privilegien 87, Orig., dt., Perg.; ebd., Kopialbuch 5, Nr. 22, fol. 21r-24v (14. Jh.); ebd., Juden Akten 355, fol. 1r-3v (15. Jh.); ebd., Juden Akten 54, fol. 1r/v (16./17. Jh.); ebd., Bartholomäusstift Urkunden und Akten 404 (16./17. Jh.); ebd., Holzhausen-Archiv Akten 50, Abschnitt B (um 1600); Wien, HHStA, RHR Conf. Priv. dt. Exp. 97 (Konv. 2) (jiddisch sowie eine dt. Transliteration, 18. Jh.).

  • UB zur Geschichte der Juden in Frankfurt, Nr. 141, S. 50-53;
  • Selecta Iuris 1, Nr. 1, S. 634-644;
  • Kracauer, Politische Geschichte (1911), S. 43-46.
  • REM 1, 2, Nr. 6288, S. 690;
  • MGH Const. 9, Nr. 361, S. 273;
  • Regesten der Pfalzgrafen am Rhein 1, Nr. 2351, S. 142;
  • RI 8, Nr. 1035, S. 84;
  • Inventare des Frankfurter Stadtarchivs 3, S. 8.

Kommentar:

Nach einer Archivnotiz des späten 15. Jahrhunderts zahlte der Frankfurter Rat für die Ausfertigung des Verpfändungsdiploms 133 Pfund Heller an die königliche Kanzlei (Frankfurt, ISG, Juden Akten 700, fol. 1v: Nota pantschafft der judden fur XVm[ille] libris. IIᶜ libra, Iᶜ XXXIII [libras]).

(dsc.) / Letzte Bearbeitung: 20.02.2018

Zitierhinweis

Corpus der Quellen zur Geschichte der Juden im spätmittelalterlichen Reich, hg. v. Alfred Haverkamp und Jörg R. Müller, Trier, Mainz 2016, FW02, Nr. 113, URL: https://www.medieval-ashkenaz.org/FW02/FW-c1-0026.html (Datum des Zugriffs)

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