Quellen zur Geschichte der Juden im Bistum Würzburg (1273-1347)

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Bm. Würzburg 1, Nr. 139

[1298, zwischen April 20 und Juli 31]

Siegfried von Ballhausen schreibt zum Jahre 1299 (1): Die ungläubigen Juden (perfidissimi Iudei) verteilten den heiligen Leib des Herrn, den sie in der Osternacht vom Kustos der Kirche in der fränkischen Stadt Röttingen (in civitate Franconie que Rotingen dicitur) gekauft hatten, über verschiedene Städte und Burgen (per diversas civitates et castella) an andere Juden. Einige fromme Frauen, die die heiligen Nachtwachen am Kreuzigungshügel befolgten, wie es in Deutschland (in Theotonia) Brauch ist, gingen, als sie zur Morgenstunde aus der Kirche heraustraten, zum Priester der Kirche, um diesen zu wecken, damit er der Gewohnheit folgend das Kreuz vor dem Morgen von dem Monument emporhebe. Dabei sahen sie über dem Haus des Juden, der die Hostie gekauft hatte, zwei Lichter kreisen. Als sie dort standen und sich wunderten, kam überraschend der Priester hinzu und fragte sie, was sie dort zusammenführe. Dann sah er mit denselben die Lichter und wurde gewahr, dass der Jude mit dem Kustos in der Kirche beim Altar gewesen war, woraufhin er den Stadtrichter (iudex civitatis) und einige Bürger (quidam de civibus) rief. Diese drangen in das Haus des Juden ein und überwältigten denselben und den Kustos. Beide wurden sogleich genötigt und gestanden das von ihnen begangene Verbrechen ein. In der Tat, so sagt man (ut dictum est), war die Hostie auf verschiedene Häuser der Juden verteilt worden. Die heiligste Hostie war mit Nadeln (2) und Meißeln durchstochen und mit Hämmern geschlagen worden. Und als sie bemerkten, dass durch die Stiche und Schläge Blut austrat, vergruben sie die Hostie an verschiedenen Orten in der Erde. Aber der allmächtige Gott enthüllte das Sakrament des Heils seinen Gläubigen in vielen Wundern. Daher erhoben sich die Christen gegen die Juden und töteten - in Gruppen angreifend- diese in verschiedenen Städten und Orten (per diversas civitates et loca).

(1) Die Verfolgung in Röttingen fand am 20. April 1298 statt.

(2) In der Erlanger Handschrift ist civitate Rothingen als nachträglicher Randvermerk hinter in Franconia eingefügt worden.

(3) In der Erlanger Handschrift steht advocatus civitatis.

(4) In beiden Handschriften steht acubus statt acibus.

Überlieferung:

Leipzig, UniBib, Cod. 1305 (Compendium historiarum), fol. 305v-306r, Orig., lat., Perg.; Erlangen, UniBib., Cod. 410 (Historia universalis), fol. 240r/v (Orig.).

  • Sifridi presbyteri de Balnhusen historia universalis, S. 714 f.;
  • zu den älteren Ausgaben vgl. Holder-Egger in der Einleitung der Edition.
  • Agnoletti, Macellaio (2010), S. 309 f.;
  • Rubin, Tales (1999), S. 54;
  • Lotter, Judenverfolgung (1988), S. 390, 394 und 417;
  • Lotter, Hostienfrevelvorwurf (1988), S. 551-554;
  • Wieland, Röttingen (1858), S. 9 f.

Kommentar:

Zu Siegfried von Ballhausen und seiner Chronik vgl. ###TR-c1-0008###. Siegfrieds Text weist einige Parallelen zur Schilderung des Hostienfrevels zu Röttingen bei (Pseudo-) Rudolf von Schlettstadt auf; vgl. WB01, Nr. 120.

(jmü.) / Letzte Bearbeitung: 06.01.2017

Zitierhinweis

Corpus der Quellen zur Geschichte der Juden im spätmittelalterlichen Reich, hg. v. Alfred Haverkamp und Jörg R. Müller, Trier, Mainz 2015, WB01, Nr. 139, URL: https://www.medieval-ashkenaz.org/WB01/WB-c1-00ca.html (Datum des Zugriffs)

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