Quellen zur Geschichte der Juden im Bistum Würzburg (1273-1347)

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Bm. Würzburg 1, Nr. 135

1298 [zwischen April 20 und Juli 31]

Der dem Colmarer Dominikanerkonvent entstammende oder zumindest nahestehende Verfasser der Historiae memorabiles berichtet: Als die Judenverfolgung in Franken noch nicht beendet war, erzählte eine jüdische Konvertitin eine Geschichte über ihren Vater: Als die Frau im Hause ihres Vaters war, bat sie der Vater, ein großes Feuer zu machen. Dann holte er aus dem Keller einen Kessel mit Talg, den er über dem Feuer zu verflüssigen beabsichtigte. Als der Talg flüssig war, nahm er aus einer Schatulle eine geweihte Hostie heraus, die der Tochter bis dahin noch nicht aufgefallen war. Er lehnte sich mit der Hostie in der Hand über den Kessel und bat Jesus Christus wortreich, sich zu offenbaren, wenn er der sei, für den die Christen ihn hielten. In dem Fall wolle er dem jüdischen Glauben abschwören und zum Christentum übertreten. Daraufhin warf er die Hostie in den Talg. Nach etwa einer Stunde verwandelte sich die Hostie in einen schönen Knaben. Der Jude bekannte daraufhin, dass der im Talg Schwimmende wahrlich Gott sei, und fragte ihn, wie er denn den Kessel verlasse, worauf der Knabe aus dem Kessel sprang und in Gestalt eines jungen Mannes vor dem Juden stand. Der Jude erkundigte sich, ob er den Herrn ein drittes Mal versuchen dürfe, was dieser bejahte. Als der Jude ihm zu zeigen bat, dass er Richter über die Lebenden und die Toten sei, erstrahlte der gesamte Raum in hellem Licht und der junge Mann verwandelte sich vor den Augen des Juden in ein verehrungswürdiges Antlitz, aus dessen Mund zu beiden Seiten ein scharfes Richtschwert herausragte. Sogleich versprach der Jude, seinem angestammten Glauben zu entsagen und den christlichen anzunehmen. Auch seine Tochter ließ sich taufen.

Überlieferung:

Donaueschingen, Fürstlich Fürstenbergische Hofbibliothek, Ms. 704, fol. 202v-203r, Abschr. (Mitte 16. Jh.), lat., Papier; Sigmaringen, Fürstlich Hohenzollernsche Hofbibliothek, Cod. 64, fol. 185r/v (Abschr., Mitte 16. Jh.).

  • Rudolf von Schlettstadt, Historiae memorabiles, Nr. 9, S. 53-55.
  • Grabmayer, Diesseits (1999), S. 268;
  • Grabmayer, Rudolf (1994), S. 327 f.;
  • Lotter, Judenbild (1993), S. 436;
  • Lotter, Judenverfolgung (1988), S. 400.

Kommentar:

Zu dem Rudolf von Schlettstadt zugeschriebenen Werk aus dem Umfeld der Colmarer Dominikanergeschichtsschreibung vgl. EL01, Nr. 31. Bei der vorliegenden Geschichte handelt es sich um ein zu dieser Zeit häufig in der Literatur anzutreffendes angebliches Verwandlungs- und Bekehrungswunder.

(jmü.) / Letzte Bearbeitung: 06.01.2017

Zitierhinweis

Corpus der Quellen zur Geschichte der Juden im spätmittelalterlichen Reich, hg. v. Alfred Haverkamp und Jörg R. Müller, Trier, Mainz 2015, WB01, Nr. 135, URL: https://www.medieval-ashkenaz.org/WB01/CP1-c1-00ze.html (Datum des Zugriffs)

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