Quellen zur Geschichte der Juden im Bistum Würzburg (1273-1347)

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Bm. Würzburg 1, Nr. 142

1298 [Ende Juni]

Der dem Dominikanerorden angehörende Autor der Historiae memorabiles schreibt: Metzger Rintfleisch, dessen Aufgabe es war, Juden zu bestrafen, zu töten und auszulöschen, hatte eine Vielzahl Armer zusammengeschart (Carnifex Rindflaisch, cuius officium erat Judeos punire, interficere et delere, multitudinem pauperum congregavit.). (1) Vor dieser Masse ließ er ein großes Kruzifix, das er in einer Stadt erhalten hatte, hertragen mit dem Ziel, das Christenvolk dazu zu bewegen, sich der Juden zu entledigen und diesen keinen Schutz mehr zu gewähren. Als sich Rintfleisch eines Tages dem Städtchen Uffenheim (castellum Opfingen) (2) näherte, beabsichtigten die Führungsgruppen der Stadt (maiores civitatis), die Juden zu verteidigen, und ließen die Tore schließen. Als Rintfleisch mit den Seinen mit dem Kreuz vor dem Stadttor (porta civitatis) angelangt war und demütig (humiliter) um Einlass bat, verweigerte man ihnen den Einzug. Einer der Torwächter (portarius) warf einen Stein auf das Kreuz, woraufhin ein Arm von der Christusfigur abbrach. Sogleich begann die Christusfigur stark zu schwitzen, was Panik unter den Trägern auslöste. Sie beschlossen, das Kreuz auf der Vormauer der Stadt (propugnaculum civitatis) niederzulegen und nach Hause zurückzukehren. Als sie dies getan hatten, begehrten einige aus der Stadt das Kreuz zu sehen und begaben sich dorthin und fanden es schweißgebadet vor. Danach entfernten die Armen (pauperes) den Schweiß vom Kreuz, doch so viel sie entfernten, so viel kam wieder nach. Das Kreuz wurde schließlich in die Kirche getragen, und als die Armen (pauperes) das gegen die Juden gerichtete Wunder erkannten, gingen sie gegen den Willen der städtischen Führungsgruppen (contra voluntatem divitum et maiorum) gegen diese vor und töteten sie alle.

(1) In der Sigmaringer Handschrift folgt auf delere noch ein höchst interessanter Einschub zur Charakterisierung Rintfleischs: quamquam ille vilis condicionis homo, sed tamen devotus et bonus Christianus, et ideo officium suum contra Iudeos bono celo (propter perfidiam eorum) sine omni misericordia et quasi cum gaudio exercuit. Ille Rindflaisch …; vgl. Georges, Graf (1999), S. 60.

(2) Plausibel erscheint die These von Lotter, Judenverfolgung (1988), S. 414, dass es sich bei der Nennung von Opfingen um eine Verschreibung gehandelt habe. Weder ist Opfingen unter den Verfolgungsorten genannt, noch erfüllte es um diese Zeit auch nur annähernd protourbane Funktionen. Die Erwähnung städtischer Merkmale sowie die Nähe zu Röttingen wie auch die Erwähnung in dem Martyrolog Charlevilles sprechen für Uffenheim als Ort des Geschehens (NM01, Nr. 73).

Überlieferung:

Donaueschingen, Fürstlich Fürstenbergische Hofbibliothek, Ms. 704, fol. 204v, Abschr. (Mitte 16. Jh.), lat., Papier; Sigmaringen, Fürstlich Hohenzollernsche Hofbibliothek, cod. 64, fol. 188v-189r (Abschr., Mitte 16. Jh.).

  • Rudolf von Schlettstadt, Historiae memorabiles, Nr. 12, S. 59.
  • Grabmeyer, Rudolf (1994), S. 323-325;
  • Lotter, Judenbild (1993), S. 436;
  • Lotter, Judenverfolgung (1988), S. 414.

Kommentar:

Zu dem Rudolf von Schlettstadt zugeschriebenen Werk aus dem Umfeld der Dominikanergeschichtsschreibung vgl. EL01, Nr. 31. Abermals weist der Autor aus dem Kreis der Bettelmönche den Armen die entscheidende Rolle bei der vermeintlich gottgefälligen Vernichtung der Juden zu. Hier sind es einerseits die Armen, aus denen sich die Horden des ausdrücklich als Metzger (und guter Christ) bezeichneten Rintfleisch zusammensetzten; andererseits sind es die Armen der Stadt, die sich nach dem scheinbaren Wunder weigerten, der städtischen Führung weiterhin Gehorsam zu leisten, und schließlich die Juden der Stadt töteten.

(jmü.) / Letzte Bearbeitung: 06.01.2017

Zitierhinweis

Corpus der Quellen zur Geschichte der Juden im spätmittelalterlichen Reich, hg. v. Alfred Haverkamp und Jörg R. Müller, Trier, Mainz 2015, WB01, Nr. 142, URL: https://www.medieval-ashkenaz.org/WB01/CP1-c1-00ys.html (Datum des Zugriffs)

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