Quellen zur Geschichte der Juden im Bistum Würzburg (1273-1347)

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Bm. Würzburg 1, Nr. 138

1298 [zwischen April 20 und Juli 31]

Der dem Dominikanerorden angehörende Autor der Historiae memorabiles schreibt: Im Jahre 1298 sind im Bistum Würzburg viele Juden wegen ihrer Frevel erbärmlich umgebracht worden. Den Ursprung des Mordens teilten einige aus Franken Kommende mit. In dem Teil des Reiches, der Franken genannt wird, lebten zahlreiche Juden. Unter diesen war auch ein armer Jude, der seinen Gott lange Zeit um Reichtum anrief. Da er jedoch nicht erhört wurde, beschloss er, den Christengott anzubeten und, falls dieser seinem Wunsch entsprechen würde, zum Christentum zu konvertieren. Bald nachdem er zum Christengott gesprochen hatte, gelangen ihm die Geschäfte, so dass er reich wurde. Er sagte bei sich, dass der Christengott ihn erhört habe, und er versprach daher, Christ zu werden und Gott in Ewigkeit zu dienen. Bald darauf kam ein verwandter Jude zu ihm und fragte ihn, wie er plötzlich zu solchem Reichtum gekommen sei. Als er dem Verwandten die Geschichte berichtet hatte, tat dieser es ihm gleich und wurde ebenfalls bald reich. Als weitere Juden davon erfuhren, besorgten sie sich zahlreiche geweihte Hostien, durch deren Präsenz sie sich den Erwerb großer Reichtümer versprachen. Sie gingen aber von einer falschen Vorstellung aus, weil ihr Geist nicht in der Lage war, ihren Glauben hinter sich zu lassen und den christlichen anzunehmen. Sie glaubten ferner fest, dass sie sich, wenn sie den Gott der Christen in ihrer Gewalt hätten, aufgrund seiner Präsenz leichter bereichern konnten. Der größere Teil der Juden versuchte aber, sich auf verschiedene Art und Weise der Hostien zu bemächtigen, um seinen angeborenen Neid und seine Treulosigkeit grausam auszuleben. Sie begingen nämlich zahlreiche Verunglimpfungen in Wort und Tat gegen den wahren, lebenden Gott der Christen. Ein zweites Mal richteten sie ihn durch das Kreuz, und nachdem sie ihre Lust auf unfromme und grausame Weise befriedigt hatten, vergruben sie ihn an verbotenen und profanen Orten. Dass sich an diesen Orten später Wunderzeichen zeigten, beachteten die bösen Juden nicht. Als sie schließlich häufig derart gehandelt hatten, insbesondere in der Diözese Würzburg, wurden viele auf Befehl des Magistrats und der vornehmen Herren (jussu magistratus et dominorum superiorum) (1) gefangen und verbrannt.

(1) Der hier genannte Magistrat kann sich nur auf den Stadtrat von Würzburg beziehen. Dieser hatte allerdings nicht die Macht, die Juden in der Diözese Würzburg zu belangen. Wahrscheinlich sind mit den vornehmen Herren nicht Stadtbewohner gemeint, sondern Herrschaftsträger aus dem Umfeld Würzburgs.

Überlieferung:

Donaueschingen, Fürstlich Fürstenbergische Hofbibliothek, Ms. 704, fol. 199v-200r, Abschr. (Mitte 16. Jh.), lat., Papier; Sigmaringen, Fürstlich Hohenzollernsche Hofbibliothek, Cod. 64, fol. 179r-180v (Abschr., Mitte 16. Jh.).

  • Rudolf von Schlettstadt, Historiae memorabiles, Nr. 4, S. 45-47.
  • Grabmayer, Rudolf (1994), S. 317;
  • Lotter, Judenbild (1993), S. 437 f.;
  • Lotter, Judenverfolgung (1988), S. 396.

Kommentar:

Zu den Rudolf von Schlettstadt zugeschriebenen Historiae memorabiles aus dem Umfeld des Colmarer Dominikanerkonvents vgl. EL01, Nr. 31. Im Unterschied zu mehreren anderen Geschichten der Sammlung sind es in vorliegendem Fall nicht die Armen, die eine Bestrafung der Juden herbeiführen, sondern der Stadtrat von Würzburg und die vornehmsten Herren (magistratus et domini superiores). Die Erzählung weist Parallelen zu einem weiteren Exempel Rudolfs auf (WB01, Nr. 137).

(jmü.) / Letzte Bearbeitung: 06.01.2017

Zitierhinweis

Corpus der Quellen zur Geschichte der Juden im spätmittelalterlichen Reich, hg. v. Alfred Haverkamp und Jörg R. Müller, Trier, Mainz 2015, WB01, Nr. 138, URL: https://www.medieval-ashkenaz.org/WB01/CP1-c1-00vu.html (Datum des Zugriffs)

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