Quellen zur Geschichte der Juden im Bistum Würzburg (1273-1347)

Zurück zur Übersicht

657 Quellen in diesem Teilcorpus. Sie sehen die Quelle 149.

Bm. Würzburg 1, Nr. 149

1298 [Juli 25]

Der dem Dominikanerorden angehörende Autor der Historiae memorabiles schreibt: Ein Bauer (rusticus) hörte, als er eines Nachts in Möckmühl (Michilin Mulin) (1) auf seinem Lager ruhte, eine Stimme, die ihn aufforderte zum Priester zu gehen und diesem mitzuteilen, dieser möge sich zum Haus des Juden Vivelin (Wivilinus) begeben, wo er unter der Türschwelle, die zum Abort führt, eine Hostie finden würde. Zuerst wollte der Bauer der Stimme nicht gehorchen, weil er glaubte, einen Albtraum gehabt zu haben. In der folgenden Nacht sprach die Stimme wieder in gleicher Weise zu ihm. Diesmal antwortete der Bauer, dass er es gerne ausführen werde. Am nächsten Tag ging er zum Priester und erzählte ihm die Begebenheit. Daraufhin informierten sie auch den Schultheißen (scultetus) über das Geschehene, der wiederum den Priester mit vielen Knechten zum Haus des Juden begleitete. Nach einer Stunde ebenso gründlicher wie vergeblicher Suche meinte der Schultheiß, der Bauer solle sich entfernen, da er wohl betrunken sei und der Teufel sein Spiel mit ihm getrieben habe. Als auch der Priester die Suche einstellen wollte, konnte er seine Füße nicht mehr vom Boden erheben. Er rief schnell den Schultheißen zurück und teilte ihm mit, dass man offenbar sorgfältiger suchen müsse. Dies wurde getan, und sofort kamen fünf durchstochene und an einem Faden aufgehängte Hostien zum Vorschein. Nach der Auffindung der Hostien ließ der Schultheiß die Juden zusammentreiben und 76 in ein Haus einschließen, wo sie ohne Mitleid vom Metzger Rintfleisch verbrannt wurden.

(1) Die Geschichte nimmt Bezug auf die in den Historiae vorhergehende, in der Lichtzeichen in Möckmühl von Juden vergrabene Hostien offenbaren; vgl. WB01, Nr. 150.

Überlieferung:

Donaueschingen, Fürstlich Fürstenbergische Hofbibliothek, Ms. 704, fol. 199r/v, Abschr. (Mitte 16. Jh.), lat., Papier; Sigmaringen, Fürstlich Hohenzollernsche Hofbibliothek, Cod. 64, fol. 179r-180v (Abschr., Mitte 16. Jh.).

  • Rudolf von Schlettstadt, Historiae memorabiles, Nr. 3, S. 44 f.
  • Grabmayer, Rudolf (1994), S. 328 f.;
  • Lotter, Judenbild (1993), S. 439;
  • Lotter, Judenverfolgung (1988), S. 399.

Kommentar:

Zu den fälschlich Rudolf von Schlettstadt zugeschriebenen Historiae memorabiles aus dem Umfeld des Colmarer Dominikanerchronisten vgl. EL01, Nr. 31. Die Geschichte schließt sich unmittelbar an die Erzählung eines weiteren angeblichen jüdischen Hostienfrevels zu Möckmühl an; vgl. WB01, Nr. 150. Das Nürnberger Memorbuch gibt für den Pogrom von Möckmühl am 25. Juli 1298 33 Opfer an (NM01, Nr. 56). Ein Vivelin befindet sich nicht darunter.

(jmü.) / Letzte Bearbeitung: 19.12.2022

Zitierhinweis

Corpus der Quellen zur Geschichte der Juden im spätmittelalterlichen Reich, hg. v. Alfred Haverkamp und Jörg R. Müller, Trier, Mainz 2015, WB01, Nr. 149, URL: https://www.medieval-ashkenaz.org/WB01/CP1-c1-00tm.html (Datum des Zugriffs)

Lizenzhinweis

Die Datensätze stehen unter einer Creative Commons Attribution 4.0 International (CC BY 4.0) Lizenz und können unter Berücksichtigung der Lizenzbedingungen frei nachgenutzt werden. Sofern nicht anders angegeben, sind die verwendeten Bilder urheberrechtlich geschützt.

Zurück zur Übersicht