Quellen zur Geschichte der Juden im Bistum Würzburg (1273-1347)

Zurück zur Übersicht

657 Quellen in diesem Teilcorpus. Sie sehen die Quelle 146.

Bm. Würzburg 1, Nr. 146

[vor 1298 Juli 3]

Der dem Dominikanerorden angehörende Autor der Historiae memorabiles schreibt: Zu der Zeit, als König Adolf regierte, (1) kam in Colmar (in civitatem Columbariam) im Elsass eine arme Frau (paupercula mulier) zu einer Witwe und fragte sie, ob sie während der Notzeit gegen Entgelt bei ihr Aufnahme finden könne, worauf diese entgegnete, dass es in dieser Zeit unfromm sei, Armen Gastlichkeit zu verweigern (Impium esset hoc tempore pauperibus hospicium denegare). Als die Arme nicht allzu lange Zeit bei der Witwe war, fragte diese sie nach ihrer Herkunft. Sie antwortete, dass sie aus Würzburg gebürtig sei, wo sie auch viele Jahre gelebt habe. Auf die Frage, warum sie nach Colmar gekommen sei, erzählte sie, dass sie einst Jüdin gewesen sei und einen Mann, einen Sohn sowie Reichtümer gehabt habe. Sie habe sie jedoch aufgrund dessen, was sie gesehen und gehört hatte, verlassen müssen. Sie habe von den Juden gehört, dass einst einige von ihnen anlässlich der Passion Christi vor Pilatus gerufen hätten: 'Sein Blut komme über uns und unsere Kinder.' (2) Deren Nachkommen bluteten monatlich und litten oft an Durchfall, der häufig tödlich endete. Sie könnten lediglich durch das Blut eines Christen geheilt werden. Sie selbst habe das erkannt, als eine christliche Magd der Juden gegen Geld vom Pfarrer oder Sakristan (sacerdos vel sacrista) eine geweihte Hostie erhalten habe, die die Juden mit einem spitzen Eisen durchstochen hätten. Aus der Wunde floss reichlich Blut, so dass die Juden Tücher darüber warfen und sie sorgfältig versteckten. Andere wiederum warfen die Hostie auf den Tisch und traktierten sie mit Nadeln und Messern, als diese sich in einen wunderschönen Knaben verwandelte, ihren Händen entglitt und wehklagend im Haus rasch umherlief. Vergeblich versuchten sie ihn zu ergreifen. Nachdem sie dies gesehen hatte, ließ sich die Jüdin taufen. Sie teilte dies und auch noch anderes den Christen mit, woraufhin man danach trachtete, sie zugrunde zu richten (… occidere pro viribus laborabant) (3). Auf Rat ihres Beichtvaters bekam sie schließlich einen Mann, der ihr ohne Bettelei alles Notwendige zukommen ließ.

(1) 1292-1298.

(2) Mat. 27,25.

(3) Es geht aus dem Kontext nicht hervor, ob Juden oder Christen der Konvertitin nach dem Leben trachteten.

Überlieferung:

Donaueschingen, Fürstlich Fürstenbergische Hofbibliothek, Ms. 704, fol. 206r/v, Abschr. (Mitte 16. Jh.), lat., Papier; Sigmaringen, Fürstlich Hohenzollernsche Hofbibliothek, Cod. 64, fol. 187v-188v (Abschr., Mitte 16. Jh.).

  • Rudolf von Schlettstadt, Historiae memorabiles, Nr. 16, S. 64-66.
  • Grabmayer, Diesseits (1999), S. 249 f. und 260;
  • Mentgen, Studien (1995), S. 422;
  • Grabmayer, Rudolf (1994), S. 306 f.;
  • Lotter, Judenbild (1993), S. 435.

Kommentar:

Zu den fälschlich Rudolf von Schlettstadt zugeschriebenen Historiae memorabiles vgl. EL01, Nr. 31.

(jmü.) / Letzte Bearbeitung: 06.01.2017

Zitierhinweis

Corpus der Quellen zur Geschichte der Juden im spätmittelalterlichen Reich, hg. v. Alfred Haverkamp und Jörg R. Müller, Trier, Mainz 2015, WB01, Nr. 146, URL: https://www.medieval-ashkenaz.org/WB01/CP1-c1-00s2.html (Datum des Zugriffs)

Lizenzhinweis

Die Datensätze stehen unter einer Creative Commons Attribution 4.0 International (CC BY 4.0) Lizenz und können unter Berücksichtigung der Lizenzbedingungen frei nachgenutzt werden. Sofern nicht anders angegeben, sind die verwendeten Bilder urheberrechtlich geschützt.

Zurück zur Übersicht