Quellen zur Geschichte der Juden in den norddeutschen Bistümern (1273-1347)

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Norddeutschland 1, Nr. 253

1345 Mai 15, Braunschweig

Herzog Magnus [I. von Braunschweig-Wolfenbüttel] bekundet, dass er Jordan, den Juden von Helmstedt und dessen Erben (Jordane, den joden von Helmenstidde (1) unde sine erven) in seiner Stadt Braunschweig in seinem Frieden und seinem Schutz aufgenommen hat (entfangen … an use stad to Brunswic to wonende an unsem vrede, unde an unser beschernisse) und ihnen alle Rechte, die die Juden zu Braunschweig haben, gegeben hat (al recht dat use joden to Brunswic hebben). Niemand, Jude oder Christ, soll sie beklagen, außer vor der Synagoge (neman, wer jode noch kerstene, se ne schal beklagen, wen vor der scole). Dadurch haben sie 'besseres Recht', um einer Schuldklage zu entgehen (dar hebbet se beter recht (2) der schult to entgande, wenne jeman uppe se to bringende). Dafür soll Jordan dem Herzog jährlich zwei Mark Feinsilber (4) zahlen und zwar jeweils zur Hälfte an Michael (to sentte Micheles daghe) (5) und zu Ostern (to paschen), darüber hinaus soll er nicht besteuert werden. Anders als die gemeinen Juden (de ghemeynen joden) sollen Jordan und seine Erben mit der Steuer und den sonstigen Judenangelegenheiten (mid der bede und mit den joden alles dinges) unbelastet bleiben. Der Herzog bezieht in seinen Schutz auch denjenigen gegen seinen Bruder Ernst (6) mit ein. Sollte dieser Jordan oder seinen Erben ein Verbrechen oder Unrecht (sulfwolt edder unrecht) antun, werde er ihnen beistehen und es abwenden, damit es ihnen nicht schade. Falls Herzog Ernst den Juden Jordan und seine Erben ebenfalls aufnehmen möchte und sie bei dem Recht lassen will, das ihnen der Bruder Otto (7) gewährt hat, und das er, Magnus, ihnen besiegelt hat, soll dieser an der Steuer partizipieren und sie ebenso wie er schützen. Sie sollen auch geschützt werden vor den Vettern Herzögen Heinrich, Ernst, Wilhelm und Johann, deren Erben. Falls Jordan und seine Erben nicht länger in Braunschweig verbleiben wollen und wegziehen, dann soll Herzog Magnus sie unterstützen und nicht daran hindern.

Zeugen sind: Wilhelm von Sambleben, Geverd von Weferlingen, Ritter, Geverd von Warberg, Bertram von Veltheim, Johannes von Hondelage und Johannes Papstorf, Knappen, sowie viele andere Glaubwürdige (Wilhelmus de Tzampeleve, Gheveherdus de Weverlinge, milites, Gheveherdus de Werberghe, Bertrammus de Velthem, Johannes de Honlage, et Johannes Papestorp, famuli, et quam plures alii fide digni).

Der Aussteller kündigt sein Siegel an.

Anno domini MᵒCCCᵒXLV, in die Penthecostes.

(1) Da die Urkunde vom 24. Oktober 1348, die den Nachlass Jordans regelte (###NO-c1-00ad###), unter denselben auch husen to Helmestide erwähnt, dürfte Jordan in der Tat aus Helmstedt zugezogen sein; vgl. GJ 2, 1, S. 352; zur Familie Jordans vgl. ###NO-c1-00ac###, ###NO-c1-00ad### und NO01, Nr. 254.

(3) Vgl. dazu die Deutung von betere recht und die Interpretation bei Ebeling, Juden (1987), S. 41, und in GJ 2, 1, S. 122, Anm. 69).

(4) Die Abgabe der Familie wurde später bis auf 12 Mark erhöht; vgl. Braunschweig, StadtA, Best. B I 2, Nr. 2, S. 19, § 5 (1351); Das erste Gedenkbuch, S. 40, Ballin, Jordan (1916), S. 70 f.; Fischer, Braunschweig (1938), S. 57.

(5) September 29.

(6) Da die Stadt Braunschweig trotz der Erbteilungen im Besitz des ganzen Welfengeschlechts blieb, musste der Aussteller der Urkunde auch Ansprüche seines Bruders Ernst und seiner noch lebenden Vettern, den Söhnen seines Onkel Heinrichs I., Herzog von Braunschweig-Grubenhagen berücksichtigen.

(7) Diese Urkunde ist verloren. Es ist aber nicht anzunehmen, dass Herzog Otto sie für Braunschweig ausgestellt hat, wie es Ballin, Jordan (1916), S. 68 f., vermutet, sondern vielmehr für Helmstedt und zwar in seinen Bestrebungen, gegen den Abt von St. Ludger und den Rat Einfluss auf die Juden der Stadt zu gewinnen; vgl. GJ 2, 1, S. 352. Damit löst sich auch der von Ballin, Jordan (1916), S. 68 f., übersehene Widerspruch mit der Eingangsformel, die einen aktuellen Zuzug nach Braunschweig indiziert.

Überlieferung:

Hannover, LA, Cop. IX 55 (Registrum der Herzöge Magnus und Ernst von Braunschweig), Orig. (Kriegsverlust), Perg.; Wolfenbüttel, LA, II Hs Nr. 1, fol. 15r (Mitte 15. Jh.).

Kommentar:

Zur verlorenen Archivalie aus Hannover ('Registrum') s. NO01, Nr. 244. Die Wolfenbütteler Abschrift ist ein Eintrag aus dem ersten Teil (fol. 1-87) des Kopialbuches 'Registrum, in quo continentur literae autenticae ducum Brunsvicensium Magni, Friderici, Bernhardi et Henrici de a. 1345-1408'. Zu diesem Teil der Sammelhandschrift II Hs 1 vgl. Register der Welfischen Herzöge, S. 26-28; Schwarz, Register (1997), S. 290 f. und 298-301; Lehnbücher der Herzöge, S. 26.

Als Folge des herzoglichen Privilegs ließ der Rat - vermutlich zeitnah - in die Stadtgesetze eintragen: Jordane et Ysaacke de ioden, ore husvrowen unde ore kindere heft de rad dorch bede willen in ore beschermnisse ghenommen: dar scal sik malik an bewaren dat he sik an on nicht vorgripe ().

(Johannes Deißler) / Letzte Bearbeitung: 22.01.2021

Zitierhinweis

Corpus der Quellen zur Geschichte der Juden im spätmittelalterlichen Reich, hg. v. Alfred Haverkamp und Jörg R. Müller, Trier, Mainz 2020, NO01, Nr. 253, URL: https://www.medieval-ashkenaz.org/NO01/NO-c1-00aj.html (Datum des Zugriffs)

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