Quellen zur Geschichte der Juden in den norddeutschen Bistümern (1273-1347)

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Norddeutschland 1, Nr. 232

1343 Februar 14, Osnabrück

Im fehlerhaft datierten Regest (1343 statt 1393) einer Urkunde wird die exakte Lage eines Jochs Acker (unum iuger agrorum), den Joannes Meyerschyn und seine Ehefrau Rabodo Weder genannt Holscher verkaufen, als außerhalb des Natruper Tors beim alten Judenfriedhof bezeichnet: Joannes Meyerscyn und Frau verkaufen pro VII marcis et VI solidis denariorum Osnabrugensium legalium et pro redditibus VI solidis inibi remanentibus dem Rabodoni Weder alias Holscher unum iuger agrorum extra portam Norttorpe (1) iuxta antiquum cemiterium iudaeorum.

(1) Natruper Tor, im Nordwesten der Stadt.

Überlieferung:

Osnabrück, Diözesanarchiv, Findbuch zum Bestand BAOS U2 Generalvikariats-Urkunden (Gebrauchsexemplar), Nr. 103a , Abschr. (um 1895), dt. und lat., Papier; Findbuch zum Bestand BAOS U2 Generalvikariats-Urkunden (Sicherungsexemplar), S. 93 (um 1895).

Kommentar:

Um 1895 wurde im Archiv der Diözese Osnabrück begonnen, getrennte Findbücher zu den Osnabrücker Domarchivurkunden und zu den Generalvikariats-Urkunden zusammenzustellen. Grundlage waren die Regesten in den Urkundentaschen. In das Findbuch zu den Generalvikariats-Urkunden wurden dabei auch Regesten von Urkunden eingetragen, die zum Bestand des Dompfarrarchiv oder des Pfarrarchivs Osnabrück-St. Johann gehören. Darüber hinaus fanden auch Regesten von Urkunden Berücksichtigung, die nicht mehr auffindbar waren und sind. Ein Teil der Regesten fußt zudem auf mehreren älteren, heute verlorenen, Konvoluten von Urkundenregesten (z. B. der sog. Designatio privilegiorum der Domvikare).

Das hier herangezogene Urkundenregest wurde auf Grundlage dieses letztgenannten Konvolutes im Findbuch zu den Generalvikariats-Urkunden unter dem Datum 1343 Februar 14 angelegt. Im Sicherungsexemplar des Findbuches wurde unter 'Bemerkungen' zusätzliche der zeitgenössische Hinweis 'DPA' (= Dompfarrarchiv) vermerkt, was darauf hindeutet, das bei Anlage des Findbuches noch die Ausfertigung einer zugehörigen Urkunde im Pfarrarchiv Osnabrück-Dom St. Petrus existiert zu haben scheint. Sie ist heute nicht mehr nachweisbar.

Allerdings gibt es im gleichen Findbuch zu den Generalvikariats-Urkunden unter dem Datum 1393 Februar 14 (!) den nachfolgenden Eintrag: 'Vor dem osnabrücker Stadtrichter Johannes Scoke verkaufen die Eheleute Johannes und Margareta Meyenschyn an Rabodo Weder genannt Holschere einen Morgen Ackerland vor dem Natrupertore neben dem alten Judenkirchhof zwischen den Ländereien des Richters selbst und denen der Verkäufer für 7 Mark 6 Schilling osnabrückisch. Zeugen: Hermannus Houwene, Johannes de Anchem, Reynekinus Restebom, Johannes Stuteke.' (Gebrauchsexemplar, Nr. 275b; Sicherungsexemplar, S. 236). Unter der Signatur BAOS U2 1393 Februar 14 ist die Originalurkunde dieses Regesteneintrags erhalten. Die Ortsangabe zu dem verkauften Landstück lautet: unum iuger agrorum extra portam Nortorpe iuxta antiquum cimeterium Judeorum; vgl. ###NO-c1-0058###.

Auf diese Urkunde von 1393 ist von Igel, Zentren (2001), S. 26, und Poeck, Osnabrück (2006), S. 105, zwar hingewiesen worden, doch nur Igel hat die Vermutung aufgestellt, dass für das Jahr 1343 ein 'Fehler im Regest' vorliegt. Da es unwahrscheinlich ist, dass es für einen gleichen Vorgang (identische Verkäufer, identischer Käufer, identischer Kaufpreis, identisches Tagesdatum) zwei Urkunden im zeitlichen Abstand von 50 Jahren gegeben haben soll, dürfte die Urkunde von 1343 höchstwahrscheinlich nie existiert haben. Das Datum in der Urkunde MᵒCCCXC tertio wurde vielmehr verlesen (MᵒCCC XL tertio) und ungewollt ein Regest unter falschem Datum angelegt. Das erfolgte wahrscheinlich bei der Erstellung der Designatio privilegiorum der Domvikare und wurde um 1895 bei der Anlage der Findbücher übernommen. Das konnte geschehen, weil der Eintrag 1343 auf Grundlage der Designatio gemacht wurde, der von 1393 auf Basis des Originals.

Das bedeutet: Man darf weiterhin - neben dem am 10. August 1386 gekauften Judenfriedhof (vor dem Heger Tor) (###NO-c1-004g###) - von einem weiteren und älteren Judenkirchhof (am Natruper Tor) ausgehen. Ob dieser allerdings - so Igel, Zentren (2001), Beilage 1 - immer noch um 1300 anzusetzen ist, ist fraglich. Auch darf weiterhin mit Kosche, die die Problematik der beiden Urkunden mit doppeltem Inhalt ausblendet, der (erste) jüdische Friedhof Osnabrücks in die Zeit vor den Pestpogromen von 1350 vermutet werden (Kosche, Studien (2002), S. 41). Der bisher dazu herangezogene Beweis - das Regest der Urkunde 1343 - ist aber nicht mehr verlässlich. Der Friedhof am Natruper Tor ist hinsichtlich seines Beleges ein halbes Jahrhundert später anzusetzen als ursprünglich gedacht und rückt damit zeitlich in die Nähe des Friedhofkaufs von 1386 (###NO-c1-004g###). Das könnte auch erklären, warum der als 'alt' bezeichnete Friedhof der Juden in den Schutzbriefen von 1309 (NO01, Nr. 66) und 1317 (NO01, Nr. 83) sowie im Privileg von 1327 (NO01, Nr. 118) nicht erwähnt wird, er galt nicht 1343 als 'alt', sondern erst 1393 und in Abgrenzung zum neuen Friedhof vor dem Heger Tor.

(Johannes Deißler) / Letzte Bearbeitung: 22.01.2021

Zitierhinweis

Corpus der Quellen zur Geschichte der Juden im spätmittelalterlichen Reich, hg. v. Alfred Haverkamp und Jörg R. Müller, Trier, Mainz 2020, NO01, Nr. 232, URL: https://www.medieval-ashkenaz.org/NO01/NO-c1-0055.html (Datum des Zugriffs)

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