Quellen zur Geschichte der Juden in den norddeutschen Bistümern (1273-1347)

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Norddeutschland 1, Nr. 165

1335 August 9, Osnabrück

Bischof Gottfried von Osnabrück (Godefrid an godes ghenaden biscop tho Osenbruͦge) bekundet, dass ihm sein Geschworener Rat (unse sworene rat) (1), den er mit Rat und Erlaubnis seines Hochstifts eingesetzt und gewählt hat, 300 Mark Pfennige Osnabrücker Währung geliehen hat. (2) Die Darlehenssumme soll dem Geschworenen Rat von allem Einkommen (uͦpcome) und Zuwendungen (anvalle) des Hochstifts, sei es an Erben (in erven), Wechseln (in weslen), Besitzungen (in besetinghen), Strafzahlungen (in broken) oder sonstigen Sachen (in weliken anderen saken) zurückgezahlt werden. Ausgenommen sind Einkünfte aus Renten (bede de rente) und rechte Schuldforderungen (rechten sculde) sowie Schenkungen, die dem Bischof privat gegeben werden (de ghave de uns sunderlike wert ghegheven), sofern sie nicht mehr als eine Mark betragen. Sechs Personen aus dem Geschworenen Rat, zwei aus dem Kapitel, zwei Dienstleute und zwei Schöffen, die dazu bestimmt und gewählt werden (sesse ute deme vorbenomden unsen sworenen rade, twe ute deme capetele, twe denstluͦde, unde twe schepenen, de dar to werdet ghesat unde ghekorn) sollen von den genannten Zuwendungen und Einkommen des Stifts, die Hälfte nehmen. Davon sollen sie zunächst jährlich pro hundert Mark der Darlehenssumme zehn Mark für den Zins nehmen, der nicht aufzuschlagen ist. Was darüber verbleibt, soll man von den vorgenannten 300 Mark solange abrechnen, bis das aufgenommene Geld zurückgezahlt ist. Wie dabei die Summe der vorgenannten 300 Mark sich mindert, soll auch der Zins sich mindern. Im Übrigen hat der Bischof, ehe die vorgenannten dreihundert Mark gänzlich aufgenommen und empfangen worden sind, mit den Osnabrücker Juden, Vereinbarungen getroffen, die er außerhalb seines Geschworenen Rates nicht hätte treffen wollen oder können (Vortmer roke sich ok dat also, dat wi er desse vorbenomden drehuͦndert mark to male ut quemen vnde uͦpgeheboret worden, mit den ioden de in unser stat to Osembruͦge wonachtich sin, des wi doch buten unsen vorbenomden sworen rat nicht don ne moghen noch ne scolen deghedingeden). (3) So sollen die vorgenannten sechs Personen - es folgt eine Wiederholung zu ihrer genauen Zusammensetzung - von den Juden zuvor das Geld, welches von den vorgenannten 300 Mark noch nicht eingenommen und empfangen worden ist, aufnehmen (so scolen de vorbenomden sesse, …, to voren nemen unde uͦpboren van den ioden allet dat ghelt, dat van den vorbenomden drenhuͦndert marken vore nicht ne is uͦpgheboret unde entfanghen). Der Bischof verspricht, sich nicht der vorbenannten Einkommen und Zuwendungen des Stifts zu bemächtigen, worüber die vorgenannten sechs Personen aus dem Rat wachen sollen. Auch sollen sich die amtierenden und künftigen Vögte und Amtsleute dem Geschworenen Rat gemeinsam oder den vorgenannten sechs Personen in Stellvertretung getreulich verpflichten, von allen Einkommen und Zuwendungen, die ihnen ihres Amtes wegen zufallen, die Hälfte abzugeben. Ferner verspricht Gottfried, dass seine Urkunde, falls die vorgenannten 300 Mark nicht innerhalb der Zeit, in der der Geschworene Rat besteht, völlig zurückgezahlt sein sollten, solange Gültigkeit hat, bis das Darlehen gänzlich zurückgezahlt ist. Der Bischof gelobt seinem Kapitel, seinen Dienstleuten im Geschworenen Rat, die namentlich genannt werden, den Schöffen von Wiedenbrück (4) und den Schöffen und dem Rat zu Osnabrück die getreuliche Einhaltung aller Bestimmungen. Der Aussteller kündigt sein Siegel an.

Dit is ghescheen unde desse bref is ghegheven na godes bort dusent iar drehuͦndert iar in deme vif andertighesten jare, des hilghen avendes sunte Laurentiuses des merteleres.

(1) Bei dem Geschworenen Rat des Bischofs dürfte es sich um ein Beratungsgremium gehandelt haben, das durch Eid an den Bischof gebunden war. Die weiteren Bestimmung und die namentliche Nennung von Dienstleuten am Ende der Urkunde legt nahe, dass es sich aus Mitgliedern des Domkapitels, aus Dienstleuten (Rittern und Knappen) und aus gewählten Schöffen der Stadt zusammensetzte.

(2) Ein Grund für die Geldaufnahme wird nicht angegeben, Rothert (a. O.) vermutet eine Verwendung zum Bau der Landesburg Fürstenau.

(3) Die Bedeutung der Phrase ist nicht ganz klar: Möglicherweise trifft der Bischof eigenständig Vereinbarungen, für die zwingend die Zustimmung des Geschworenen Rates benötigt wird.

(4) Die Schöffen von Wiedenbrück werden hinzugezogen, da es sich bei Wiedenbrück um eine Osnabrücker Exklave handelt.

Überlieferung:

Osnabrück, LA, Dep. 3 a 1 II D, Nr. 430, Orig., dt., Perg.

(Johannes Deißler) / Letzte Bearbeitung: 22.01.2021

Zitierhinweis

Corpus der Quellen zur Geschichte der Juden im spätmittelalterlichen Reich, hg. v. Alfred Haverkamp und Jörg R. Müller, Trier, Mainz 2020, NO01, Nr. 165, URL: https://www.medieval-ashkenaz.org/NO01/NO-c1-003z.html (Datum des Zugriffs)

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