Quellen zur Geschichte der Juden im Erzbistum Mainz (1273-1347)

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Ebm. Mainz 1, Nr. 310

1345 September 19, Mainz

Grabstein des zu Mainz bestatteten Juden Samuel, Sohn Jakars:

ציון
הלז הוקם לראש
ר'] שמואל בן הרב]
'ר' יק]ר הלוי הנפ' כ'ב]
'בתש]רי יום ב' שנת ק'ו]
'לפ' ל]א' ששי נ'ב'ע]
א' א' ס ל ה

Übersetzung:

Dieses Steinmal
ist aufgerichtet zu Häupten
des Herrn Samuel, Sohn des Rabbiners
Herrn Jakar (1) haLewi, der verstarb am 22. (2)
Tischri (3), Montag (4), im Jahre 106
nach der Zählung (5), im sechsten Jahrtausend (6). Seine Ruhe [sei] im Garten Eden.
Amen. (7) Amen. (7) Sela.

(1) Salfeld (Martyrologium Nürnberger Memorbuch, Nr. 128, S. 438) konnte noch ר'] יקר‏]‎ ('Herr Jakar') lesen. Inzwischen ist die Schreibfläche des Steins weiter verwittert bzw. aus anderem Grund erheblicher beschädigt.

(2) Salfeld (Martyrologium Nürnberger Memorbuch, Nr. 128, S. 438) edierte als Monatstag '26.' (כ''ו), Avneri (Medieval Jewish Epitaphs from Magenza, Nr. 72, S. 155) '26.' ('‎‏כ'ו). Eine solche Lesung (der 26.) ergibt jedoch im Falle von Avneri bei dessen Identifizierung des Wochentags (Montag) eine kalendarische Unstimmigkeit. Dagegen entspräche der von Salfeld postulierte Wochentag (Freitag) dem Kalendersystem. Da unter paläographischen Gesichtspunkten ohne Zweifel der Bestimmung des Wochentags durch Avneri der Vorzug zu geben ist, wurden die Merkmale der den Monatstag repräsentierenden Buchstaben einer faktensichernden Prüfung unterzogen. Diese ergab, dass der strittige Buchstabe zwar auf den ersten Blick den bei der Grabinschrift verwendeten Formen des ו ähnlich zu sein scheint, jedoch aus Bearbeitungsspuren zu folgern ist, dass es sich um ein ב handelt. Schon Rapp, Chronik (1977), Nr. 133, S. 58, hatte den '22.' als Monatstag jüdischer Zeitrechnung angesetzt, wobei nicht bekannt ist, ob er diesen Tag las und/oder errechnete.

(3) Salfeld (Martyrologium Nürnberger Memorbuch, Nr. 128, S. 438) konnte noch תשרי ('Tischri') lesen. Er setzte vor dem Monatsnamen kein ב an, obwohl diese Präposition bei den meisten anderen zeitgenössischen Mainzer Grabinschriften an der besagten Stelle verzeichnet wurde.

(4) Salfeld (Martyrologium Nürnberger Memorbuch, Nr. 128, S. 438) edierte '‎‎‏ום ו‎י ('Freitag') .‎‏ Er mag zu diesem Ansatz einerseits dadurch motiviert worden sein, dass dieser Wochentag (Freitag) mit dem von ihm vorausgesetzten Monatstag kalendarisch harmoniert (vgl. oben). Andererseits ist das verzeichnete ב im Verhältnis zu dem ihm vorausgehenden ם erheblich größer und von einer Höhe, die mit der des ו in יום in etwa korrespondiert, so dass Salfeld möglicherweise vermutete, dass ein ursprüngliches ו nachträglich in ein ב aus welchen Gründen auch immer (Lesung בשנת, 'im Jahre'?) umgestaltet worden sei.

(5) Salfeld (Martyrologium Nürnberger Memorbuch, Nr. 128, S. 438) konnte noch 'לפ lesen. Avneri (Medieval Jewish Epitaphs from Magenza, Nr. 72, S. 155) setzte לפרט ('nach der kleinen Zählung') an, doch war für die ausgeschriebene Wendung die zur Verfügung stehende Fläche wohl zu gering.

(6) Avneri (Medieval Jewish Epitaphs from Magenza, Nr. 72, S. 155) edierte '‎‎לא in Klammern, Salfeld (Martyrologium Nürnberger Memorbuch, Nr. 128, S. 438) die ausgeschriebene Wendung לאלף ('im [Jahre] Tausend') ohne Klammern. Auf einer Fotografie der 1950er Jahre kann ‎'‎א noch eindeutig identifiziert werden. Salfeld hat die Abkürzung mithin stillschweigend aufgelöst.

(7) Avneri (Medieval Jewish Epitaphs from Magenza, Nr. 72, S. 155) edierte ‎'‎א in Klammern.

Überlieferung:

Mainz, Judenfriedhof Denkmalsanlage, Nr. 133, hebr.

  • Medieval Jewish Epitaphs from Magenza, Nr. 72, S. 155;
  • Martyrologium Nürnberger Memorbuch, Nr. 128, S. 438.
  • Rapp, Chronik (1977), Nr. 133, S. 58;
  • Mainzer hebräische Epitaphien, Nr. M 126, S. 87;
  • Martyrologium Nürnberger Memorbuch, Nr. 128, S. 438.
  • GJ 2, 1, S. 427.

Kommentar:

Der Verstorbene wurde auch als 'Vorbeter Samuel, gen[annt] Bonfant von Mainz' bezeichnet (Martyrologium Nürnberger Memorbuch, S. 438, Anm. 5). Seinen Beinamen בונפמט ('Bonfamt') (zur Schreibung vgl. die des Nürnberger Opfers von 1349, ebd., S. 64) nahm man als den 'bürgerlichen Namen' (Grundbuch des Kölner Judenviertels, S. 192) nicht in die Grabinschrift auf, sondern führte - außer der Erwähnung seines Vaters - nur den Synagogennamen an. Nach Beider, Dictionary (2001), S. 291, waren Samuel und Bonefant ein übliches Namenpaar. Rabbiner 'Jakar der Bescheidene', der Vater des Verstorbenen, 'ein Verwandter R. Meirs von Rothenburg', war von 1266 bis 1291 Mitglied des Judenrats in Köln und unterzeichnete in dieser Zeit die dortigen hebräischen (Vor-)Urkunden des sogenannten Judenschreinsbuchs meist an erster Stelle (Judenschreinsbuch der Laurenz-Pfarre, S. 246; GJ 2, 1, Nr. 1, S. 427). Samuel selbst 'unterschrieb 1334 als Zeuge eine Urkunde' (GJ). Der Vater seines Vaters war Rabbiner Samuel ha-Lewi von Worms (Martyrologium Nürnberger Memorbuch, S. 130). Bei dieser Familie ist also der beliebte Brauch der Nachbenennung zu beobachten.

(kcu.) / Letzte Bearbeitung: 23.09.2016

Zitierhinweis

Corpus der Quellen zur Geschichte der Juden im spätmittelalterlichen Reich, hg. v. Alfred Haverkamp und Jörg R. Müller, Trier, Mainz 2015, MZ01, Nr. 310, URL: https://www.medieval-ashkenaz.org/MZ01/CP1-c1-02sl.html (Datum des Zugriffs)

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