Quellen zur Geschichte der Juden in der Stadt Köln (1273-1347)

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Stadt Köln 1, Nr. 131

1330 März 4

Im sogenannten ersten Eidbuch wird festgehalten: Der Enge Rat der Stadt Köln (enge rait der steede van Kolne) bekundet, dass er in der vormaligen Auseinandersetzung zwischen der Kölner Judengemeinde auf der einen und dem Kölner Juden Salman von Mainz auf der anderen Seite (… zwyst inde zweinge geweist sint tuschen der gemeinden der ioitzschaf van Kolne up eins side inde heren Sailmanne van Menze iuden van Kolne up ander side) Folgendes entschieden habe: Salman und dessen Kinder und Schwiegersöhne (kunt inde eideme) sollen zu Lebzeiten und nach seinem Tode - wie vor Ausbruch der Streitigkeit (creighe) - in Ehre und Freundschaft (in alle eren inde vruntschaf) gehalten werden. Wer dagegen verstoße, werde bis zur Sühneleistung mit dem großen Bann der Judengemeinde belegt. Dazu müsse dieser in die Synagoge zur Thorarolle gehen und Folgendes bekennen: "Ich habe den großen Bann Niddi (1) gebrochen und soll Salmann, dessen Kinder und Schwiegersöhne um Verzeihung bitten" (… ich hain den groissen ban gebroghen, de da heisst Niddi, inde sulde bidden heren Sailmanne inde sine kuͦnt, dat syt eme vergeven). Damit solle Salmann und dessen Kindern und Schwiegersöhnen Sühne geleistet sein, so wie es im Eidbuch (eitbuͦgge) geschrieben stehe (2)

Nun hätten die Enkel des Herrn Salman (die einclen heren Sailmans) den Ratsherren berichtet, dass der Jude Gottschalk Jaigduvel die Sühne insofern gebrochen habe, als er in Gegenwart angesehener Juden (in intgeinwerdigkeit veil goder iuden) Herrn Salman als placeychtig inde schuͦrveichtig bezeichnet sowie behauptet habe, er sei als Gebannter verstorben. Sie hätten daher den Rat darum gebeten, der Angelegenheit nachzugehen. Da sich die Anschuldigungen als wahr erwiesen hätten (… dat Goitschalc die wort, die sy uns gezoint haint, die he gesprochen sal havin, gesprochin heit in alle der wys, as da vurgescreven steyt…), beschließt der Rat, dass Gottschalk an einem Sabbat in die Synagoge gehen solle. Dort habe er, wenn der Chasan vor der Thorarolle sitze, an jener Stelle, an der die Thora gelesen werde, in Gegenwart des Judenbischofs und der Gemeinde den anwesenden Salmann, dessen Kinder, Enkel und Schwiegersöhne gemäß der oben festgelegten Form laut um Verzeihung zu bitten (… dat he sal gain offenbeirligen in die schole der iuden van Kolne, as sy gemeinenkligen zuͦ scholen sint up eynen satersdach, as ir sabbath is, as man den rodil leist, as der sengger der iuden sitzt vur deme rodole, inde sal gain stain up die stat, da man den rodol leist, in intgeinwordigkeit des bisschofs inde der gemeinden der iuͦdenschaf inde sal sprechin offenbeirligen, da heren Salman kindere, eynklen inde eydeme intgemeinwordich sint …). Dieser Bußakt sei zwischen dem nächsten Samstag und den kommenden acht Tagen zu verrichten. Im Weigerungsfall müsse Gottschalk eine Geldbuße von 100 Mark an die Stadt Köln zahlen. Judenbischof und Judenrat sollten zudem mit der Thora und an allen Orten ihres Beliebens verkünden, dass Gottschalk bannbrüchig sei. Ferner müsse er mit Frau und Kindern Köln so lange verlassen, bis er in der vorgeschriebenen Form Besserung vorgenommen und der Stadt für den Frevel weitere 200 Mark gezahlt habe. Wenn er dazu bereit sei, sollten acht Tage zuvor Salmans Kinder, Enkel und Schwiegersöhne benachrichtigt werden, damit sie erlebten, dass die Besserung in vorgeschriebener Weise geschehe. Kein Christ oder Jude dürfe dies verhindern, insbesondere Gottschalk, dessen Vertraute oder Verwandte sei es untersagt, Salmans Angehörige wegen der festgelegten Buße zu belästigen. Vollziehe Gottschalk die Buße innerhalb der festgelegten Zeit in der vorgeschriebenen Weise, sei die Angelegenheit beigelegt. Niemand dürfe Gottschalk wegen dieser Besserung angehen. Wer Gottschalks Urkunde (breif) breche, müsse Buße leisten. Schließlich geloben die Ratsherren auch im Namen ihrer Nachfolger, dass sie weder Gottschalk noch seine Frau und Kinder zusätzliche vertragliche Lasten (vurworde) aufbürden werden; diese Zusicherung umfasst ausdrücklich die Rückkehrbedingungen nach Köln.

Die Aussteller verpflichten sich mit Eid, das voranstehende Vorgehen einzuhalten, kündigen das hängende Stadtsiegel an und erklären, den Urkundeninhalt zur weiteren Sicherung in das Eidbuch übertragen zu haben (… inde haint dun scriven in dat eitbuch, up dat id de vaster gehalden werde deizen brief …).

de is gegeven na goitz geburde dusent druhundert in deme drestigstene iair, dez sundais duͦ mant sanc Remeniscere.

(1) Es handelt sich dabei um den Bann "Niddui", der im Unterschied zum Cherem haJischuw soziale Kontakte zuließ; vgl. EJ, Second Edition, S. 10-18, bes. S. 13 f.

(2) Damit nehmen die Aussteller offenbar auf vorangegangene Sühnebriefe, die in das Eidbuch aufgenommen wurden, Bezug; vgl. KO01, Nr. 103.

Überlieferung:

Köln, HAStadt, Best. 30, V1, fol. 22v-23r; http://historischesarchivkoeln.de:8080/actaproweb/archive.xhtml?id=Vz++++++00145468MHupElko#Vz______00145468MHupElko (Digitalisat), Abschr. (zeitnah), Perg.

  • Quellen zur Geschichte der Stadt Köln 4, Nr. 161, S. 172-174;
  • Zwei Cölner Eidbücher, S. 85-89.
  • Schmandt, Judei (2002), S. 47;
  • Bauer, Judenrecht Köln (1964), S. 55;
  • Brisch, Geschichte 1 (1879), S. 118 f.

Kommentar:

Der vom Sühnebrief betroffene Jude Salman von Mainz begegnet in der Kölner Überlieferung ansonsten vornehmlich mit der Herkunftsbezeichnung "von Basel". Zum Zeitpunkt der Urkundenausstellung war Salmann bereits verstorben. Der ebenfalls angesprochene Jude Gottschalk Jagduvel geriet bereits zwei Jahre zuvor mit der jüdischen Gemeinde in Konflikt; vgl. KO01, Nr. 122, KO01, Nr. 125 und KO01, Nr. 126. Wie bereits in vorangegangenen Sühnebriefen, die in das Eidbuch aufgenommen wurden, weist der vorliegende Eintrag darauf hin, dass das Juden an der Abfassung des Sühnebriefes direkt beteiligt waren. Zu den Kölner Eidbüchern vgl. KO01, Nr. 73.

(bel.) / Letzte Bearbeitung: 06.03.2018

Zitierhinweis

Corpus der Quellen zur Geschichte der Juden im spätmittelalterlichen Reich, hg. v. Alfred Haverkamp und Jörg R. Müller, Trier, Mainz 2016, KO01, Nr. 131, URL: https://www.medieval-ashkenaz.org/KO01/KO-c1-0004.html (Datum des Zugriffs)

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