Quellen zur Geschichte der Juden im Bistum Konstanz (1273-1347)

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Bm. Konstanz 1, Nr. 170

1332 März [1]

Der erste, seit dem letzten Jahrzehnt des 14. Jahrhunderts tätige Schreiber des Chronicon Constantiense berichtet zum 6. März 1332 von der Ermordung eines Knabens namens Ulrich durch Juden zu Überlingen. Ulrich soll der Sohn des Ledergerbers Frig gewesen sein. Im Anschluss an die Tat seien 350 Juden in einem Haus in der Stadt Überlingen verbrannt worden, darunter Kinder, Frauen und Greise: Item anno 1332 am sechsten (1) tag im Merczen ward der guͦt Uͦlrich von Uberlingen gemartert von den Juden. Der was aines sun, hiess der Frig, was ain Ledergerwer. Es wurdent do by IIIjC (2) Juden verbrant in der statt ze Uberlingen in ainem hus, es warint denn kind, wip, ald man. (3)

(1) Da die Ermordung der Juden in Überlingen bereits am 4. März 1332 geschah (vgl. KN01, Nr. 171) und fast sämtliche Quellen des 15. Jahrhunderts, die zudem teilweise auf dieselbe Vorlage wie die Konstanzer Chronik zurückgehen, den Tod des Knaben auf den 1. März 1332 datieren, dürfte es sich bei der Datumsangabe in der Konstanzer Chronik um einer Verschreibung handeln.

(2) 350.

(3) Der Eintrag trägt die Überschrift: Wie der guͦt Uͦlrich gemartert ward.

Überlieferung:

Konstanz, StadtA, Best. A I 1, fol. 101r, Abschr. (spätes 14. Jh.), dt.; zur weiteren handschriftlichen Überlieferung vgl. Geschichtsquellen des deutschen Mittelalters, Chronik Konstanzer.

Kommentar:

Zum Chronicon Constantiense vgl. KN01, Nr. 98. Inhaltsgleich, jedoch mit Datierung auf den 1. März geben die etwa im selben zeitlichen Kontext entstandenen Konstanzer Jahrgeschichten von 1256 bis 1388 das Ereignis wieder: Anno domini 1300 des ersten tages merczen ward gemartert der guͦte S. Ulrich von den Juden ze Uͦberlingen, der was eines ledergerwen sune, was genant der Fry (link opac.regesta-imperii.de/id/2584030>Konstanzer Jahrgeschichten von 1256 bis 1388, S.302). Bereits Stern, Beiträge Bodensee (1887), S. 219, Anm. 19, hat darauf aufmerksam gemacht, dass die von Mone für seine Edition benutzte Leithandschrift fälschlicherweise das Jahr 1300 nennt, während die übrigen Manuskripte korrekt 1332 wiedergeben. Demselben Überlieferungsstrang entstammen die wörtlich miteinander übereinstimmenden Nachrichten der Klingenberger Chronik (Klingenberger Chronik, S. 52; Sogenannte Klingenberger Chronik, S. 91), der Fortsetzung der Züricher Jahrbücher (Jahrbücher der Stadt Zürich [Anonymer Autor] respektive [Eberhard Müller], S. 65) und der Kleinen Toggenburger Chroniken (Kleine Toggenburger Chroniken, S. 94); vgl. zu den einzelnen historiographischen Werken Geschichtsquellen des deutschen Mittelalters, [Art.] Chronik, Klingenberger, Geschichtsquellen des deutschen Mittelalters, Chronik der Stadt Zürich und Geschichtsquellen des deutschen Mittelalters, [Art.] Toggenburger Chronik, Kleine. Allen diesen Nachrichten ist gemeinsam, dass sie nichts zu dem sich daran anschließenden Judenpogrom zu Überlingen vom 4. März 1332, den Johannes von Winterthur ausführlich dargestellt hat (KN01, Nr. 172), zu berichten wissen. Eine Verbindung des Pogroms zur angeblichen Ermordung des Ulrich geheißenen Sohns des Überlinger Ledergerbers durch Juden findet sich erstmals in der Chronik Gebhard Dachers: In dem jar, do man zaltt tussend drühundertt XXXII jar, am sechsten tag im mertzen ward der guͦtt Uͦlrich von Überlingen gemarttrott von den Juden. Er was aines sun, hiesz der Fryg, was ain laͤdergaͤrwer. Es wurden do by vierdhalb hundertt [350] Juden verbrenntt in der statt Überlingen in ainem hus. Es waͤrind denn kind, wip oder man (Konstanzer Chronik des Gebhart Dacher, S. 345). Zur Chronik Gebhard Dachers vgl. . in der zwischen 1568 und 1572 angefertigten Reinschrift des Chronicon Helveticum von Aegidius Tschudi wird erstmals erwähnt, dass die angeblich für die Ermordung Ulrichs Schuldigen nach Ablegung eines Geständnisses bereits vor dem Pogrom hingerichtet worden seien: Die schuldigen, so das mord bekennt, hat man vorhin gericht (Chronicon Helveticum 4, S. 320). Die Zahl der jüdischen Opfer des Pogroms wird hier auf 150 beziffert. Die ungedruckten Konstanzer Chroniken des 16. und 17. Jahrhunderts vermögen nichts Substantielles zum bereits Überlieferten beizusteuern.

(Jörg R. Müller) / Letzte Bearbeitung: 29.07.2020

Zitierhinweis

Corpus der Quellen zur Geschichte der Juden im spätmittelalterlichen Reich, hg. v. Alfred Haverkamp und Jörg R. Müller, Trier, Mainz 2020, KN01, Nr. 170, URL: https://www.medieval-ashkenaz.org/KN01/KN-c1-004v.html (Datum des Zugriffs)

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