Quellen zur Geschichte der Juden im Bistum Konstanz (1273-1347)

Zurück zur Übersicht

250 Quellen in diesem Teilcorpus. Sie sehen die Quelle 185.

Bm. Konstanz 1, Nr. 185

1334 August 21, Konstanz

Kaiser Ludwig [der Bayer] bekundet, dass Amman, Rat und Bürger von Überlingen sich vor ihrem Stadtammann in Konstanz (vor irem amman in der stat ze Kostentz) verantworten müssen, wenn Juden wegen der vorangegangenen Verfolgung zu Überlingen (1) bis zum 6. Januar 1335 Forderungen vor dem Stadtammann wegen ihres Erbes, Gutes oder Geldes stellen (… daz der amman.., der rat und die burger gemeinchlich ze Uberlingen, unser lieben getrewen, allen den juden, die hintz in iht zesprechen, zechlagen oder zefordern habent von der juden wegen ze Uberlingen, die verderbet wurden, ez sei umb ir erbe, umb guͤt oder umb gelt, daz si den ein reht tuͤn sullen). Das Verfahren soll hierbei nach dem Recht der Stadt Überlingen erfolgen (nach irer stat recht) (2). Klagen sollen jedoch nur noch bis zum 6. Januar 1335 zulässig sein, da sie andernfalls mit kaiserlichen Gewalt als getilgt gelten sollen (… von hinnan untz uf den zwelften tag ze Weihenaͤchten, der nu schierst chumt, als dichk si ez an si vordernt. Und waͤr, daz die juden die vorgenanten unser burger ze Uberlingen nach dem zwelften tag ze Weihenaͤchten iht anspraͤchen oder chlagten, wellen wir, daz si in dar umb dhein reht tuͦn. Und nemen alle ansprach, chlag und vorderung, die si furbaz immmer hintz gehaben moͤchten, gaͤntzlichen ab von unserm keyserlichem gewalt).

Ankündigung des kaiserlichen Siegels.

[…] an dem sunntag vor Bartholomei, nach Christus geburt driutzehenhundert iar, darnach in dem vierden und dreizzigstem iar, in dem zweintzigstem iar unsers richs und in dem sibenden des keysertums.

Rückvermerk:

von der Juden wegen dz sy dz Recht zuͦ Costentz pflege soll[e]n (14. Jh.); diverse Registraturvermerke

(1) Zu dieser Verfolgung im März 1332 vgl. die Chronik des Lindauer Franziskaners Johannes von Winterthur (KN01, Nr. 172) und einen hebräischen Martyrologeintrag (KN01, Nr. 171).

(2) Sprachliche Ungenauigkeiten der Urkunden lassen es gemeinsam mit dem Ausstellungsort Konstanz für möglich erscheinen, dass sich die Stadt Überlingen zu Konstanz vor dem Konstanzer Stadtammann nach Konstanzer Stadtrecht verantworten sollte (nach irer stat recht vor irem amman in der stat ze Kostentz). Demgemäß wäre es sogar möglich, dass diese Urkunde Ludwigs auf Intervention der Konstanzer Stadtgemeinde und auf Bitte der dortigen Juden ausgestellt wurde. Allerdings ergibt sich aus der Vorgängerurkunde vom 8. Juni 1332 (KN01, Nr. 174) eindeutig, dass die Verhandlung zu Konstanz nach Überlinger Stadtrecht (ze Kostentz nach irer stat recht ze Uberlingen) zu erfolgen hatte, was in der vorliegenden Urkunde nochmals wiederholt wird. Analog handelt es sich somit auch um den Überlinger Stadtammann, der den Vorsitz ausüben soll.

Überlieferung:

Überlingen, StadtA, Best. A 1, Nr. 61, Orig., dt., Perg.; Freiburg, EBA, Ha 541, fol. 13r (Abschr., 16. Jh.).

Kommentar:

Bereits am 8. Juni 1332 hatte Kaiser Ludwig bekundet, dass Gerichtsverhandlungen zwischen der Stadt Überlingen und ihren Juden, welche aus Forderungen der vorangegangenen Verfolgung beruhten, zu Konstanz nach Überlinger Stadtrecht ausgetragen werdem sollten (KN01, Nr. 174). Im Falle der vorliegenden Urkunde ist somit lediglich die Fixierung einer Frist neu. Eine Begründung für diese Befristung wird hingegen nicht geliefert. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, ob der Überlinger Judenfriedhof, der zugleich die zentrale Begräbnisstätte aller Juden rund um den Bodensee darstellte, nach der vorausgegangenen Verfolgung auswärtigen Juden weiterhin zur Verfügung stand. Den regionalen Judenschaften musste an einer erneuten Zugriffsmöglichkeit gelegen sein, die womöglich durch die juristischen Streitigkeiten von der Überlinger Stadtgemeinde verweigert wurde. Demgemäß könnte die Befristung auch als Befehl an die Stadt gedeutet werden, sich bis zum 6. Januar 1335 mit den Juden zu einigen, so dass spätestens ab diesem Zeitpunkt wieder die traditionellen jüdischen Begräbnisspraktiken in der Region aufgenommen werden konnten. Andererseits bedeutete die Fixierung einer jüdischen Klagefrist jedoch auch, dass die Stadt Überlingen ab dem 6. Januar 1335 einen Schlussstrich unter entsprechende Forderungen ziehen konnte.

Darüber hinaus wird der Inhalt des Dokuments in den Kollektaneen des Überlinger Chronisten Jakob Reutlinger (16. Jh.; Überlingen, StadtA, Historische Collectaneen von Überlingen, Bd. 1, S. 388) verkürzt wiedergegeben: Anno 1334 hatt könig Luͦdwig denen vn Überlingen ainen freyhaitsbrieve gegeben, darynnen er will, das amman, rath und buͦrger zuͦ Uͤberlingen den Juͦden umb ir ansprach ain recht nach irer statt recht vor irem amman in der statt zuͦ Costanz in ainer bestümbten zeit thun sullen, und sie die Juden, die von Ueberlingen nach derselben zeit icht ansprechen, sie inen darumben chain recht thun, sunndern inen alle ansprach abgenommen sein sullen.

(Michael Schlachter) / Letzte Bearbeitung: 29.07.2020

Zitierhinweis

Corpus der Quellen zur Geschichte der Juden im spätmittelalterlichen Reich, hg. v. Alfred Haverkamp und Jörg R. Müller, Trier, Mainz 2020, KN01, Nr. 185, URL: https://www.medieval-ashkenaz.org/KN01/KN-c1-0033.html (Datum des Zugriffs)

Lizenzhinweis

Die Datensätze stehen unter einer Creative Commons Attribution 4.0 International (CC BY 4.0) Lizenz und können unter Berücksichtigung der Lizenzbedingungen frei nachgenutzt werden. Sofern nicht anders angegeben, sind die verwendeten Bilder urheberrechtlich geschützt.

Zurück zur Übersicht