Quellen zur Geschichte der Juden im Bistum Konstanz (1273-1347)

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Bm. Konstanz 1, Nr. 174

1332 Juni 8, Ravensburg

Kaiser Ludwig [IV.] [der Bayer] bekundet, dass er während der Verhandlungen, die er mit den Bürgern von Überlingen wegen der von diesen dort verfolgten Juden gehabt hatte (1), auch zwischen den Bürgern von Überlingen und den noch lebenden Juden vermittelt habe (Daz wir under andern theydingen, die wir mit den burgern ze Uberlingen gehabt haben von der juden wegen da selben, die si verderbet habent, zwischen in und den juden, die noch lebent, also gemachet und gethaydinget haben). Er befiehlt, dass sich beide Seiten über das zurückgelassene Judengut einig werden sollen (daz sich die burger mit den juden und die juden mit den burgern umb ir guͦt beidenthalbe mit ein ander richten sullen, so si aller best und lieplichest chunnen und mugen). Falls dies nicht gelinge, sollten sie nach Überlinger Recht in Konstanz (2) ein Gerichtsurteil suchen (Waͤr aber, daz dhein stoͤzz oder missehellung zwischen in geschaͤhe, so sullent si recht an ein ander tuͦn ze Kostentz nach irer stat recht ze Uberlingen, ob ez in da fuͤget zesuchen und dar zechomen).

Der geben ist ze Ravenspurch an dem Montag in der Phingstwochen. Da man zalt von Kristus geburt driutzehenhundert iar. Darnach in dem zwei und dreizzigsten iar. In dem achtzehenden iar unsers richs und in dem funften des keysertums.

Rückvermerk:

1) Anno1332; wie die Juden und die Burger einander zuͦ Costentz rechtvertigen sollen (14. Jh.); 2) de judeis (14. Jh.) (stark verblasst); weitere neuzeitliche Archivvermerke

(1) Zu dieser Verfolgung vgl. auch die Chronik des Franziskaners Johannes von Winterthur (KN01, Nr. 172) und einen hebräischen Martyrologeintrag (KN01, Nr. 171).

(2) Es stellt sich die Frage, inwiefern bei der Wahl dieses Verhandlungsortes nicht nur die Bedeutung der Bodenseemetropole als Zentralort in der christlichen Siedlungsstruktur, sondern auch die Konstanzer Judengemeinde als größter Niederlassung der hebräischen Minderheit in der Region, eine Rolle gespielt hat. Die Konstanzer Juden waren, ebenso wie die sonstigen jüdischen Gemeinden im weiteren Bodenseegebiet, auf die Überlinger Begräbnisstätte angewiesen, die den Zentralfriedhof des jüdischen Siedlungsbezirks darstellte. Zwar wird die Grablege nicht explizit in den Quellen zur Abwicklung des Judenguts genannt, doch kann ein Zusammenhang vermutet werden. Die Überlingen zugeordneten jüdischen Gemeinden mussten an einer schnellen Klärung der Angelegenheit interessiert sein, um die Nutzung und den Erhalt des Judenfriedhofs zu gewährleisten.

Überlieferung:

Überlingen, StadtA, Best. A 1, Nr. 60, Orig., dt., Perg.

Kommentar:

Vgl. hierzu auch eine weitere Urkunde des Kaisers vom 21. August 1334, in welcher er die betreffenden Bestimmungen wiederholt, aber zugleich eine Frist bis zum 6. Januar 1335 für die jüdische Klage festsetzt (KN01, Nr. 185).

Darüber hinaus wird der Inhalt des Dokuments in den lokalen Chroniken des 16. Jahrhunderts von Georg Hans (Überlingen, Leopold-Sophien-Bibliothek, Nr. 98, fol. 16r) und Jakob Reutlinger (Überlingen, StadtA, Historische Collectaneen von Überlingen, Bd. 1, S. 388) verkürzt wiedergegeben: Anno 1332 hatt kayser Luͦdwig ain täding gemacht, das sich namblich die burger zuͦ Uͤberling und die Juͦden daselbst mit ainanndern richten, und so es aber nit beschechen, ainandern zu Constannz recht thun sollen.

(Michael Schlachter) / Letzte Bearbeitung: 29.07.2020

Zitierhinweis

Corpus der Quellen zur Geschichte der Juden im spätmittelalterlichen Reich, hg. v. Alfred Haverkamp und Jörg R. Müller, Trier, Mainz 2020, KN01, Nr. 174, URL: https://www.medieval-ashkenaz.org/KN01/KN-c1-002x.html (Datum des Zugriffs)

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