Quellen zur Geschichte der Juden im Bistum Konstanz (1273-1347)

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Bm. Konstanz 1, Nr. 200

1338 Oktober 12, Freiburg i. Br.

Graf Konrad [II.] und sein Sohn Graf Friedrich bekunden, dass sie zum Nutzen der Herrschaft Freiburg und um von dieser Herrschaft Schaden abzuwenden (… durch ûnsern und ûnserer herschaft ze Friburg notdurftigen nutzen, und derselben ûnsern herschaft schaden ze wendende), mit allen Juden (mit allen den juden), die jetzt oder zukünftig in Freiburg sesshaft sind (die ietzo ze Friburg sessehaft sint, oder noch sessehaft da werdent), übereingekommen sind, dass die Juden ab dem Martinstag für die folgenden sieben Jahre von allen Steuern, Abgaben und Diensten befreit sein sollen (das wir suͦ hinnan zuͦ sant Martins tag, so nu nehste komet, und darnach sûben iar die nehsten nacheinander (1), fri und lidig habent verlassen aller stüre und gewerffes, und aller nutze, so wir in dem selben zil von inen hetten, oder wir oder ieman von ûnsern wegen gewinnen moͤhtint, und aller betwungnis lihendes, gebendes und dienstes). Alle Juden, die jetzt oder zukünftig in Freiburg steuern, sollen dies zum Nutzen der jüdischen Gemeinde und nicht der Grafen tun (Und was juden mit uns dingen süllent in demselben zil, suͦ sient ietze ze Friburg sessehaft, oder werden noch da sessehaft, den geben wir beid unsern gunst und guoten willen und gehellung, das sü mit den juden, die ietze ze Friburg sessehaft sint, dingen und ûberein komen süllent, das vorgenant zil, also das der nutze von demselben gedinge den ietze ze stüre und ze nutze komen sol, und uns nût). Auch sollen die Grafen von Freiburg keine Juden in der Stadt aufnehmen ohne Billigung der dortigen Judengemeinde (Wir ensüllent och, noch nieman von unsern wegen, in dem vorgenanten zil enkeinen juden enpfahen noch sessehaft lassen sin ze Friburg in der stat, es sie denne der juden, die ietzo ze Friburg sessehaft sint guoter wille und gehellung). Die Freiburger Grafen versprechen, die Juden an Leib und Gut sowohl innerhalb als auch außerhalb der Stadt schützen zu wollen (Wir habent ouch alle die juden, die ietze ze Friburg sessehaft sint, oder noch da sessehaft werdent, das vorgenant zil in ûnsern getruwelichen friden und schirm genomen, also das wir ir lip und guot schirmen und friden süllent, ze Friburg in der stat und usser halb in allem dem reht, als ouch wir sü daher geschirmet habent ane alle geverd). Die Grafen wollen in den sieben Jahren auch niemandem einen Brief ausstellen, mit welchem dieser die Juden um Schulden oder Geld beklage (Wir süllent ouch das vorgenant zil keinen brief geben iemanne, das wir ût erlobent, der vorgenanten juden keinen sunder oder sament anzegriffend umb kein schulde, gült oder gelübde, dekein wis ane alle geverd). Konrad und Friedrich geloben den Juden auch, dass sie bei ihren althergebrachten Rechten und Gewohnheit bleiben und diese nur gebessert und nicht verschlechtert werden sollen (Wir habent ouch gelopt denselben juden, das wir inen allü irü reht und gewonheit, so sü von uns hant, bessern und in keinen weg ergern süllent, und als das davor von worten ze worte, und von stukken ze stukke geschriben stat). Die vorgebrachten Vereinbarungen haben die Grafen, auch für ihre Nachkommen und Erben, eidlich vor dem Stadtrat zu Freiburg gelobt. Zur zusätzlichen Versicherung der Übereinkunft haben die Grafen auch den Bürgermeister und den Stadtrat von Freiburg gebeten, die Juden bei ihren hier niedergeschriebenen Rechten zu schützen (Und zuo einer merre sicherheit, so haben wir die vorgenanten herren beide gebetten, den burgermeister und den rate gemeinlich von Friburg, das suͦ durch unserr bette uns gelopt hant bi dem eid, so sü uns und der herrschaft von Friburg getan hant, die vorgeschriben juden ze schirmend bi den vorgenanten dingen, alz verre sü kunnent und mügend ane alle geverd).

Siegelankündigung der beiden Grafen.

Bürgermeister und Stadtrat von Freiburg bekunden, dass sie auf Bitte der Grafen von Freiburg den Juden eidlich gelobt haben, sie hinsichtlich ihrer vorgenannten Rechte zu schützen (Wir der burgermeister und der rat gemeinlich von Friburg verjehen ouch an disem brief, das wir durch bette der edeln unser vorgenanten herre gelopt habent, den vorgenanten juden, vûr unser vorgenanten herren beid, und vûr alle ir erben und nachkomend, suͦ ze schirmend bi den vorgeschribenen dingen, das vorgenent zil, als verre wir kûnnent und mûgent ane alle geverd). Sie versprechen den Juden auch, dass sie diese in den nächsten sieben Jahren nicht mit finanziellen Forderungen oder sonstwie durch Worte oder Taten zu belästigen (Und gelobent oͧch denselben juden, das wir noch nieman von unsern wegen, suͦ in dem vorgenanten zil nûtes betwingen noch benôten sûllent, lihendes noch gebendes, noch enkeiner hande sache, mit worten noch mit werken, noch in kein wis wider iren willen, ane alle geverd). Man habe die Juden auch von allen Abgaben befreit, die sie jährlich den Trinkstuben zu Freiburg leisteten (Wir haben oͧch die selben juden das vorgenant zil, fri und lidig gelassen aller der stuͦre, die suͦ allen trinkstuben ze Friburg jargelich gaben). Man wolle auch öffentliche Aufführungen verbieten, wenn man erfahre, dass diese die Juden beleidigen oder ihnen schaden bringen könnten (Wir sûllent inen ouch vor sin und wenden, das ieman kein spil ze Friburg uffen suͦ mache, das inen laster oder schande mug gesin, wenne es uͦns vûr komet). Der Schutz der Juden soll jenen der übrigen Bewohner (seld[n]er) der Stadt entsprechen (Und habend oͧch gelopt, die vorgenanten juden ze schirmend in aller der gewonheit, als ander unser seld[n]er ane alle geverd). Ebenso wie die Grafen verspricht auch die Stadt, den Juden ihre Rechte und Gewohnheit zu halten, die nur verbessert und nicht verschlechtert werden dürften (Und gelobent inen oͧch allû die reht und gewonheit, so suͦ von uns hant, ze besserend und nuͦt ze ergernd).

Die niedergeschriebenen Verpflichtungen geloben Bürgermeister und Stadtrat von Freiburg i. Br. bei dem Eid, den sie der Herrschaft von Freiburg schulden (Dis hant wir alles gelopt bi dem eid, so wir der herschaft von Friburg getan hant, stete ze habend, ane alle geverd) und besiegeln die Urkunde mit dem städtischen Siegel.

Dis geschah ze Friburg […] do men zalt von gottes gebuͦrt druͦzehen hundert jar und ehtuͦ und drissig jar, an dem nehsten mentag vor sant Gallen tag.

Rückvermerk:

1) Judenschafft (neuzeitlich); 2) hebr. Rückvermerk: 'Sicherheitsbrief von […]' ( […] כתב בטחון של)

(1) 1345 November 11.

Überlieferung:

Freiburg i. Br., StadtA, A 1 XII c (1338 X 12), Orig., dt. und hebr., Perg-.

Kommentar:

Der hebräische Rückvermerk der Urkunde lässt vermuten, dass es sich hierbei um die Ausfertigung für die Judengemeinde vor Ort handelte. Ausfertigungen für die Grafen und Stadt Freiburg i. Br. sind nicht erhalten. Die vorliegende Urkunde ist stark von Moder angegriffen. Einzelne Passagen fehlen gänzlich, andere sind nur noch schwer lesbar oder nur noch durch Schattierung erkennbar. Bereits die Edition in UB der Stadt Freiburg 1, Nr. 171, S. 337-340, schreibt von einem 'durch Moder sehr angegriffenen Originale'. Aufgrund des heutigen Erhaltungszustandes sind daher Zweifel angebracht, in welchem Umfang Schreiber in seiner Edition Passagen ergänzt hat. Diese Zweifel betreffen jedoch nur den genauen Wortlaut und keinesfalls die inhaltlichen Bestimmungen. In Qualität und Umfang gehen die von den Freiburger Autoritäten, Grafen und Stadt, den Juden gegebenen Versprechen über den bis dato vor Ort bekannten Judenschutz weit hinaus. Möglicherweise steht dies im Zusammenhang mit den Armleder-Verfolgungen, die vor allem zwischen den Jahren 1336 und 1338 in den angrenzenden Regionen Franken, Hessen und Elsass wüteten. Diese Bedrohung war noch bis zur zweiten Hälfte des Jahres 1339 präsent (vgl. EL01, Nr. 246).

(Michael Schlachter) / Letzte Bearbeitung: 29.07.2020

Zitierhinweis

Corpus der Quellen zur Geschichte der Juden im spätmittelalterlichen Reich, hg. v. Alfred Haverkamp und Jörg R. Müller, Trier, Mainz 2020, KN01, Nr. 200, URL: https://www.medieval-ashkenaz.org/KN01/CP1-c1-02oh.html (Datum des Zugriffs)

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