Quellen zur Geschichte der Juden in Frankfurt und der Wetterau (1273–1347)

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Reichsstadt Frankfurt und Wetterau 1, Nr. 256

1346 November 26, Frankfurt a. M.

Kaiser Ludwig bekundet, dass zahlreiche Juden zu Frankfurt etliche Vergehen begangen haben (Das ettlich juden zu Ffranchenfurt unser kamerknehte ettlich bruche begangen hatten), und er über diese Vergehen gerichtet hat (darumb wir si rechtvertigten). Diese Urteile waren der Auslöser für die Flucht der namentlich genannten Juden und Jüdinnen, denen zu keiner Zeit Leid zugefügt worden sei (Und umb das, daz wir die juden darumb rechtvertigten, so wurden uns ander unser juden und kamerknechte, beide juden und judinn, abtrunig und furfluhtig von Ffranchenfort, den wir doch nodechein leid getan hetten). Die Geflüchteten sind: (1.) Fischelin von Erfurt und seine Frau, ihr Sohn Meier und dessen Frau, ihre Kinder und ihr Gesinde; (2.) Granan, Sohn Liebmanns, Rechelin, Mosemann von Wetzlar, Judelin, dessen Sohn Tamar, und ihre Hausfrauen; (3.) Menchin von Konstanz, seine Frau Sara, Tamar ihr Sohn, dessen Frau Burlin, ihre Kinder und ihr Gesinde; (4.) Kirson, Schwiegersohn Kruses, Falk von Münzenberg, dessen Frau Haim, ihre Tochter Gut, deren Mann Kossirmann, und ihre Kinder; (5.) Senderlin von Speyer, Jakob Halpart, Selda von Königstein und zahlreiche weitere Juden (und ettlich ander unser juden). Von den genannten flüchtigen Juden sollten Steuern eingetrieben werden, allerdings waren sie zu diesem Zeitpunkt schon auf der Flucht (Von den hetten wir gern bezzerung genomen umb das sie uns furfluhtig wurden, als zitlich war gewest, da enkunden uns deheinerlei endlich teiding von in widervaren), weshalb Kaiser Ludwig die Häuser, Liegenschaften und all ihr sonstiges Gut dem Rat der Stadt Frankfurt für 3000 Pfund Heller verpfändet (Do namen wir umb die bruche ir huser und gesezze zu Ffranchenfort und alle ir gut in unser hant […] so baten wir den rat und die stat zu Ffranchenfort […] das sie der juden huser und gesezze umb uns gekauft hand umb driu tusent pfunt haller). Die geflohenen Juden dürfen von niemandem aufgenommen und versteckt werden (Das nieman, er sei wer er sei, uns unser juden und kamerknehte, di uns also furfluhtig werdent, sal vorbehalden […] Davon wellen wir und gebieten allen unsern und des richs getrewen, fursten, grafen, herren, fryen, vogten, amptluden, edeln, unedeln, steten oders wie sie genant sin). Diejenigen, die der Anweisung des Kaisers zuwiderhandeln, fallen bei diesem in Ungnade (Und wer si daruber hinderte adir bechumerte, der geviel darumb in unser und des richs ungnade). Die genannten Juden können allerdings - auf Bitten der Stadt Frankfurt an Ludwig - wieder nach Frankfurt zurückkehren, um dort mit dem Rat zu verhandeln (Haben wir dem rat und der stat zu Ffranchenfurt die gnad getan, wellichir under den juden widerkomen wil zu Ffranchenfurt und mit in teidingen und sich mit in rihten wil […] und welh jud sich mit in rihtet, der hat si auch mit uns gerichtit). Diesen Juden sollen nach ihrer erfolgten Rückkehr nach Frankfurt durch den Rat der Stadt ihre Häuser und Liegenschaften zurückgegeben werden (Den juden, die sich also mit in rihtent, ir huser und gesezze mogent widergeben und si darin wider setzzen als vor). Ludwig verspricht, dass die Juden der Stadt Frankfurt auch in den kommenden beiden Jahren (bis 1348) nicht mit zusätzlichen Belastungen beschwert werden sollen (Das die juden sicherlich vor uns trosten mugent dise nehsten zwei jar, die angangen sind an sant Martins tag der nehst hin ist, das wir in in den selben zwein iaren nihtis sullen zu muten). Den rückkehrenden Juden wird durch Kaiser Ludwig freies Geleit zugesichert (Wolde auch dehein jud mit in teidingen und iesch geleit, dem mugen si geleit geben und das selb gelait ensullen adir wellen wir noch nieman von unsern wegen in niht uberfaren in dheinwijs).

Und des ze urchunde geben wir in mit unserm keiserlichen insigel versigelten disen brief, der geben ist ze Ffranchenfurt an sunntag nach sant Kathrinentag, nach Kristes geburt driuzehenhundert iar und in dem sehs und viertzigstem iar, in dem driu und drizzigstem iar unsers richs und in dem neunzehendem des keisertums.

Überlieferung:

Frankfurt, ISG, Privilegien, 78, Orig., dt., Perg.

  • UB zur Geschichte der Juden in Frankfurt, Nr. 108, S. 37 f.;
  • Codex Diplomaticus Moenofrancofurtanus, S. 604-606.
  • Inventare des Frankfurter Stadtarchivs 3, Nr. 78, S. 8;
  • Regesten zur Geschichte der Juden in Deutschland, Nr. 153, S. 47;
  • Regesten Kaiser Ludwigs des Bayern zu 1346 XI 26.
  • Backhaus, Unser juden (2006), S. 219;
  • Kramer, Chronik (1977), S. 52;
  • GJ 2, 1, S. 240;
  • Kracauer, Geschichte der Juden (1925), S. 29 f.;
  • Kracauer, Aus der inneren Geschichte (1914), S. 13;
  • Kracauer, Politische Geschichte (1911), S. 32 f.;
  • Bücher, Bevölkerung (1886), S. 533;
  • Kriegk, Bürgerzwiste (1862), S. 418.

Kommentar:

Einige der hier namentlich genannten Juden sind, wie aus den Bürgerbüchern hervorgeht, wieder nach Frankfurt zurückgekehrt. Vgl. Nr. #0000# zu 1348 II 18 (Salman, Lypmans son), Nr. #0000# zu 1348 X 6 (Hanna iudea mater Heilmani iudei de Gyzen), Nr.#0000# zu 1348 X 30 (Fyschs von Erfurte genant zum Storke), Nr. #0000# zu 1349 III 19 (Mennechin von Kostencze und Levin zum Storke) und Nr. #0000# zu 1349 III 23 (Senderlin von Spirre und Falke von Mynczenberg). Es bleibt offen, worin der vom Kaiser gegen eine größere Zahl der Frankfurter Juden erhobene Vorwurf aus seiner Sicht begründet war, sofern es sich nicht um einen reinen Willkürakt des Kaisers oder seiner Parteigänger handelte.

(dsc.) / Letzte Bearbeitung: 06.04.2017

Zitierhinweis

Corpus der Quellen zur Geschichte der Juden im spätmittelalterlichen Reich, hg. v. Alfred Haverkamp und Jörg R. Müller, Trier, Mainz 2011, FW01, Nr. 256, URL: https://www.medieval-ashkenaz.org/FW01/CP1-c1-01i6.html (Datum des Zugriffs)

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