Quellen zur Geschichte der Juden im Elsass (1273-1347)

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Elsass 1, Nr. 107

[zwischen 1322 und 1333], [Straßburg]

In sehr wahrscheinlich sämtlich erst nach der Stadtrechts-Kodifikation von 1322 (VI. Stadtrecht) und aufgrund der Erwähnung von 'vier [Stett-]Meistern' spätestens 1333 entstandenen Stadtrechtsbestimmungen werden bezüglich der Juden in Straßburg folgende Regelungen in Kraft gesetzt: [1.] Innerhalb der Stadt Straßburg oder ihres Burgbanngebiets dürfen Juden weder eygen noch erbe haͧn. [2.] Juden sollen nur eine rechtmäßige Synagoge haben und keine [Privat-]Häuser zusätzlich als Synagoge nutzen (es sol och denhein iude eine schuͦle haben in sinem huse, da er oder ander iuden ingant zuͦ schuͦlen, sie süllent gaͧn in ir rehte schuͦle). [3.] Wird ein Jude seitens des Ratsgerichts wegen unfuͦgen (Totschlag, Notzucht, Verwundungen oder Diebstahl) verurteilt, erhalten Schultheiß und Vogt ihr Fünftel [von den Bußgeldern], aber nicht mehr; dasselbe gilt, wenn ein Jude in minder schweren Fällen (wegen unfuͦge, die ime nit an den lip gat) verklagt wird, weil er etwa jemanden geschlagen oder gestoßen hat. [4.] Wird ein Jude oder eine Jüdin verklagt umbe zwüre gewunnen guͦt (1) und muss eine Buße zahlen, erhalten Schultheiß und Vogt [ebenfalls] ihr Fünftel, aber nicht mehr. [5.] Bußgelder (besserunge) von Juden wie die zwei Pfund, von denen bislang eines dem Rat, so er angat, und das zweite dem Rat, so er abgat, zukam, sollen künftig ebenso wie andere Bußgelder, die der Rat, aus welchem Grunde auch immer, von den Juden erhält, dem Ungeld zugerechnet werden (süllent vallen an das ungelt). Meister und Rat sollen gemäß bisheriger Gewohnheit den Juden Recht sprechen (sie rehtvertigen) auf ihren Eid und ihre Bußgelder annehmen bei ihrem Eid. Wird der Rat (neu) besetzt (gesetzet), sollen jeweils der ander und der hinderste Meister die Juden rehtvertigen bei ihrem Eid. Das dürfen zwar auch der erste und der dritte Meister [die im ersten und dritten Quartal jeden Jahres amtieren], doch sollen Meister und Rat entscheiden, ob sie dies wollen oder lieber einmalig Geld von den Juden nehmen (ein summe guͦtes, sü sie gros oder kleine), was den von Meister und Rat geschworenen Eid nicht verletzt. [6.] Besitzt ein Jude einen von wem auch immer glaubhaft besiegelten Schuldbrief eines [Straßburger] Bürgers und hat er oder haben seine Erben innerhalb von fünf Jahren nach Ausstellung der Urkunde diese Schuld nicht - und zwar durch Zeugen bewiesen (erzúgen […] erberliche) - gerichtlich eingefordert, kann der Schuldner bzw. können dessen Erben einen Eid zu den Heiligen schwören, dass sie nichts schuldig blieben, wonach sie ihrer Schulden ledig sind. Von dem Juden oder seinen Erben müssen in solchen Fällen die Schuldurkunden dem Schuldner zurückgegeben werden. Der Jude oder dessen Erben hat bzw. haben dann kein Recht, den Schuldner, dessen Erben oder die Schuldbürgen wegen der Schuldurkunde in irgendeiner Weise zu belästigen bzw. zu pfänden (bekumbern).

(1) Brinckmeier, Glossarium 1 (1856), führt s.v. 'Gewonnen Gut' anhand nichtelsässischer Quellen folgende Bedeutungen an: 1. 'erworbenes Gut, das ohne Einsprache auch wieder veräußert werden konnte', 2. '[e]ine gerichtlich anerkannte Schuld'. Das Wort 'zwüre' bedeutet laut Brinckmeier, Glossarium 2 (1863), s.v. 'Zwuirent', 'zweimal'.

Überlieferung:

Strasbourg, BM, (1870 verbrannt), dt., Perg.

  • UB Straßburg 4, 2, S. 168 f. [510-515];
  • Hegel, Recht (1871), S. 975 f.
  • Mentgen, Studien (1995), S. 129 und 134 f.;
  • GJ 2, 2, S. 801;
  • Ginsburger, Première communauté (1946), S. 73 f.;
  • Fischer, Stellung (1931), S. 131-133 und 160 f.;
  • Ephraim, Histoire (1925), S. 28 und 30 f.;
  • Glaser, Geschichte 1 (1924), S. 48-50 (mit Edition aus dem UB Straßburg);
  • Glaser, Geschichte (1894), S. 9 mit Anm. 1;
  • Scheid, Histoire (1887), S. 15 f.

Kommentar:

Die angegebenen Editionen dieses Stadtrechts beruhten auf dem sogen. Pergament-Codex 'F', der sich zuletzt in einem sehr schlechten Zustand befand; vgl. UB Straßburg 4, 2, S. 48 u. 168, Anm. 2.

(gem.) / Letzte Bearbeitung: 05.05.2017

Zitierhinweis

Corpus der Quellen zur Geschichte der Juden im spätmittelalterlichen Reich, hg. v. Alfred Haverkamp und Jörg R. Müller, Trier, Mainz 2014, EL01, Nr. 107, URL: https://www.medieval-ashkenaz.org/EL01/CP1-c1-02d7.html (Datum des Zugriffs)

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