Quellen zur Geschichte der Juden in der Mark Brandenburg (1273–1347)

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Brandenburg 1, Nr. 128

1346 Dezember 13, [Perleberg]

Der Rat der Stadt Perleberg (consulibus ciuitatis perleberch) vergleicht die dortigen Fleischer mit den Juden der Stadt in Schlachtangelegenheiten. Die Zuwiderhandlung gegen die nachstehenden Bestimmungen ist mit einer Strafe von neun Schilling brandenburgischer Pfennige belegt:

Ab dem 9. Oktober (Dionysiustag: a die beati dionysii) eines jeden Jahres können Juden für fünfzehn aufeinanderfolgende Tage Schafe und Ziegen, Ziegenböcke und Kälber schlachten wo immer sie wollen. (1) Die christlichen Fleischer hingegen sollen zwischen St. Michael und St. Martin, also vom 29. September bis zum 11. November, insgesamt 34 boves vel vaccas ankaufen, die den Juden zur Schlachtung zu übergeben seien. Die Juden seien aber lediglich verpflichtet, solche Tiere zu akzeptieren, die ihnen auch genehm seien; für nicht akzeptiertes Vieh sei Ersatz zu leisten bis die vereinbarte Stückzahl erreicht sei: Etiam si de dictis pecoribus aliqua vacca dictis non competeret iudeis vel carnes eius, pre tali vacca aut bove aut pro pluribus alia pecera ement prenominata carnifices loco illorum pecudum, vt numerus dictorum pecudum, scilicet XXXIIII capitum inpleatur pecudum pretactorum. Schließlich ist das Fleisch zum üblichen Marktpreis zu bezahlen; für die Richtigkeit des Preises haben die Fleischer nach Aufforderung einen Eid zu leisten (si iudei hec carnificibus credere nollent, precium emptionis pecudum carnifices dicti suis confirmabunt iuramentis). Ab Aschermittwoch und bis zum Palmsonntag ist es den Juden erlaubt, Kleinvieh (de minoribus pecudibus) zu schlachten. (2) Über diese Schlachterlaubnisse hinaus gibt es ab Ostern (3) für vier Wochen eine Frühjahrsschlachtperiode, während derer wöchentlich drei Lämmer oder junge Ziegenböcke mit Kälbern (cum vitulo Sugente) für den Bedarf der jüdischen Gemeinde (ad vsum eorum communem) zu schlachten erlaubt ist. Für den gesamten Zeitraum, in dem die Juden nicht schlachten könnten oder dürften (mactare non possunt neque debent) (4), sollen die christlichen Fleischer den Juden das Fleisch zum üblichen Marktpreis abgeben.

Die bereits eingangs angekündigten Sanktionen für diejenigen Christen oder Juden (sive carnificorum aut iudeorum), die sich an diese Regelungen nicht halten, werden nochmals bekräftigt; die daraus resultierende Strafzahlung geht zu gleichen Teilen an den Landesherren (domino nostro), die Stadtgemeinde (civitati nostre) und die Gruppe derer, die durch das entsprechende Handeln benachteiligt wurde (cui in preiudicium et dampnum illatur siue infertur contemptus statutorum predictorum).

Anno domini M°CCC°XLVI°, in die beate virginis lucie.

(1) Hier wird der Passus aus BR01, Nr. 124 vom Oktober 1345 aufgegriffen, wonach ein Einspruch durch die Christen unzulässig ist.

(2) Die gesonderte Anführung kann als konkreter Hinweis darauf gewertet werden, dass zuvor die Schlachtung von Rindern gemeint ist.

(3) Bei Heise, Juden (1932), S. 73, wird die Passage a diem pasche et per quatuor Septimanas inmediate Sequentes (CDB 1, 3, Nr. 70, S. 377 f., hier: S. 378) wie folgt wiedergegeben: "Vom Pfingsttag an die vier unmittelbar folgenden Wochen …" Ohnehin ist die Bearbeitung der Quelle durch Heise, Juden (1932), S. 72 f., nicht klar. Wie Heise den Beginn dieser Schlachtperiode auf Pfingsten ansetzen kann, obwohl ihm – zumindest seinen eigenen Angaben nach – dieselbe Quellenedition vorlag, ist rätselhaft. Auch die Aussage, dass vier Tiere geschlachtet werden dürften, muss aus einem Übersetzungsfehler resultieren.

(4) Bei diesen Zeiträumen ist einerseits an die in der Quelle nicht explizit angesprochenen, verbleibenden rund 37 Wochen des Jahres und andererseits an jüdische Feiertage, die in die Schlachtphasen fallen und ein Blutvergießen verbieten, zu denken.

Überlieferung:

Aufbewahrungsort unbekannt, lat.

  • CDB 1, 3, Nr. 70, S. 377 f.
  • Quellen zur Geschichte der Juden in den Archiven der neuen Bundesländer 5, Nr. 4208, S. 328;
  • Zum Codex diplomaticus, S. 23.
  • Maier, Tätigkeitsfelder (2010), S. 64;
  • GJ 2, 2, S. 649;
  • Heise, Juden (1932), S. 72 f.

Kommentar:

Von der Möglichkeit des Weiterverkaufs von nicht verwertbarem Fleisch ist in dieser Quelle nicht die Rede, allerdings ist auch kein Verbot festgehalten. Heise, Juden (1932), S. 72, nimmt dagegen an, dass das Ausbleiben der Erlaubnis einem Verbot gleichkomme, was mit dem – bei Heise angenommenen – judenfeindlichen Grundtenor korrespondiere.

(jrc.) / Letzte Bearbeitung: 11.09.2018

Zitierhinweis

Corpus der Quellen zur Geschichte der Juden im spätmittelalterlichen Reich, hg. v. Alfred Haverkamp und Jörg R. Müller, Trier, Mainz 2013, BR01, Nr. 128, URL: https://www.medieval-ashkenaz.org/BR01/CP1-c1-01x2.html (Datum des Zugriffs)

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