Quellen zur Geschichte der Juden im Bistum Würzburg (1273-1347)

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Bm. Würzburg 1, Nr. 125

1298 [April 20 - Ende Oktober]

Der Autor der Continuatio Ratisbonensis schreibt: In diesem Jahr [1298] ging das Gerücht, dass die Juden den Leib des Herrn in einem Mörser zerstoßen hätten und große Mengen Blut herausgeflossen seien, so dass die Angelegenheit von den Juden nicht geheim gehalten werden konnte. Und daher sind sämtliche Juden in Würzburg, Nürnberg, Rothenburg (in Herbipoli, Nuͤrnberch, Rotenburch) und im übrigen Franken durch Nötigung des Volkes durch diejenigen, die sich in großer Menge zusammentaten und einen Rintfleisch Genannten zu ihrem Anführer wählten, wegen des Unrechts gegenüber dem Herrn verbrannt worden. In der königlichen Burg Nürnberg, in der Burg […] (1) bei Neumarkt (prope Novum-Forum) sowie in weiteren Städten Frankens, in denen sich die Juden gemeinsam mit nicht wenigen Christen (coniunctis christianis non paucis) mit Waffen verteidigten, kamen die Juden und die Christen im Feuer um. Die männlichen erwachsenen Juden warfen sogar ihre Frauen und Kinder ins Feuer, um sie vor der Taufe zu bewahren, ehe sie sich selbst hineinstürzten. Auch Waffen und Geld übergaben sie den Flammen, damit es nicht in die Hände der Christen fiel. Auch bei Bamberg und Amberg (aput Babbenberch et eciam Emberch) trug es sich gleichermaßen zu. Die Bürger von Regensburg beabsichtigten, ihre Stadt zu ehren, und weigerten sich, ihre Juden ohne Urteil zu töten. Allerdings gaben sie an, Gottes Willen bereitwillig zu folgen, wenn dieser sich eindeutig offenbare. Auf diese Weise sind die Juden, wenn auch unter Schwierigkeiten, bis heute vor dem Feuer bewahrt geblieben.

(1) Der Name der Burg fehlt in der Handschrift. Die fast wörtlich von den Annales Osterhovenses, S. 552, und im Chronicon Bavariae des Propstes Heinrich von Oettingen, S. 692, übernommene Textpassage nennt die ca. 40 km südlich von Neumarkt gelegene Burg Wildenstein. Möglicherweise handelt es sich um eine Verschreibung des Namens der unmittelbar oberhalb von Neumarkt gelegenen Burg Wolfstein. Die Grabungen in der Burgruine Wolfstein bzw. noch unpublizierte Grabungsergebnisse könnten weiteren Aufschluss bringen. Zur Burg Wolfstein vgl. Seibert, [Art.] Neumarkt i. d. Opf. (2006), S. 561; zur Burg Wildenstein Frauenknecht, [Art.] Dietfurt a. d. Altmühl (2006), S. 159 (jeweils mit weiterführender Literatur).

Überlieferung:

Wien, ÖNB, cvp. 413, fol. 188r, lat.

  • Continuatio Ratisbonensis, S. 419;
  • FRG 2, S. 546 f.
  • Agnoletti, Macellaio (2010), S. 305-308;
  • Rubin, Tales (1999), S. 49 und 54;
  • Lotter, Judenverfolgung (1988), S. 394, 408 und 411-418;
  • Lotter, Hostienfrevelvorwurf (1988), S. 554-556 und 559.

Kommentar:

Zur Continuatio Ratisbonensis vgl. ###CP1-c1-01vt###. Im Unterschied zur Schilderung der unglaubwürdigen Teilnahme von angeblich 30.000 Juden am Feldzug König Philipps IV. von Frankreich gegen Graf Heinrich III. von Bar im Jahre 1297 gibt der Autor die Ereignisse hier auffallend unvoreingenommen und sachlich wieder. Zur Autorschaft Eberhards von Regensburg vgl. Müller, Annalen (1983), S. 91-104. Die Passage wurde wörtlich in der Reinfassung von Eberhards Annalen übernommen. Ferner fand der Text wörtlich respektive annähernd wörtlich Eingang in die Continuatio Weichardi de Polhaim, S. 814, sowie die Annales Osterhovenses, S. 552. Auszüge der Continuatio Ratisbonensis übernahm auch Andreas von Regensburg in seiner Chronica pontificum et imperatorum Romanorum (Andreas von Regensburg. Sämtliche Werke, S. 287), wobei er die Berichterstattung über den Feuertod der Juden noch ergänzte mit et aliis variis mortibus sunt perempti. Zur Chronica vgl. Müller, Annalen (1983), S. 52 und 194; zu den Annalen von Osterhofen vgl. ebd., S. 118-130; Backmund, Geschichtsschreiber (1972), S. 40-46; Kehr, Hermann (1883), S. 85 f. Im 15. Jahrhundert wurde die Textpassage der Continuatio Ratisbonensis in weiten Teilen wörtlich in Thomas Ebendorfers Chronica regum Romanorum, S. 506 (sowie in verkürzter Form nochmals S. 787), übernommen.

(jmü.) / Letzte Bearbeitung: 06.01.2017

Zitierhinweis

Corpus der Quellen zur Geschichte der Juden im spätmittelalterlichen Reich, hg. v. Alfred Haverkamp und Jörg R. Müller, Trier, Mainz 2015, WB01, Nr. 125, URL: https://www.medieval-ashkenaz.org/WB01/CP1-c1-01vo.html (Datum des Zugriffs)

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