Quellen zur Geschichte der Juden in den norddeutschen Bistümern (1273-1347)

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Norddeutschland 1, Nr. 214

1340 Mai

Ein notarielles Protokoll mit Zeugenaussagen im Rahmen eines Prozesses um einen schuldigen Geldbetrag zwischen Konrad Hemmelrik, Kleriker der Erzdiözese Bremen (als Rechtsnachfolger seines Vaters Johannes, der ihm die Forderung abgetreten hatte), und dem Dannenberger Bürger Hinrich Picht (als Rechtsnachfolger Johannes Vreses) erwähnt mehrfach Juden.

Der Zeuge Nikolaus Wulf gibt zu Protokoll, dass er Picht habe sagen hören, wenn er die Schulden Johannes Vreses auf irgendeine Weise auslösen könne, dann sei es seine Absicht, die Juden, bei denen Johannes Vrese Schuldner war, nachrangig zu behandeln und [zunächst] Johannes Hemmelrik [die Schulden] zu bezahlen (si quoquo modo posset extorquere debita Johannis Vresen, ipse vellet subtrahere iudeis, quibus Johannes Vrese fuerat obligatus, et vellet persolvere Johanni Hemelrich).

Der Zeuge Gottfried Grove sagt aus: Einmal habe er bei einem Besuch in Lüneburg Picht getroffen und dieser habe ihm erzählt, dass Johannes Vrese gestorben sei und dass dieser Johannes Hemmelrik eine bestimmte Geldsumme schuldig sei, auch sei er Juden und vielen anderen verpflichtet, so dass dessen Güter kaum ausreichend zur Auslösung seien (et esset etiam obligatus iudeis et aliis quampluribus, ita quod bona sua vix sufficerent ad solvendum). Picht wolle sich aber mit Hilfe seiner Mitbürger bemühen, dessen Gütern so viel abzuringen, dass dem genannten Hemmelrik gegenüber dessen Verpflichtungen abgegolten werden (sed ipse vellet laborare mediante adiutorio suorum concivium, ut extorqueret tantum de bonis suis, ut dicto Hem[e]lr[ich] sua debita persolverentur).

Laut dem Zeugen Johannes von Cuden habe Picht ihm gegenüber erwähnt, dass er gerne so handeln wolle, dass die Verbindlichkeiten Johannes Vreses gegenüber Johannes Hemelrich gezahlt würden, und er es den Juden vorenthalten wolle, weil er lieber den Hemmelrik auszahlen wolle als die Juden (quod ipse libenter vellet agere et laborare cum effectu pro eo, quod debita in quibus Johannes Vrese Johanni Hem[e]lr[ich] fuit obligatus persolverentur et laborare cum effectu (1) subtrahere iudeis quia potius vellet persolvere dicto Hem[e]lr[ich] quam iudeis).

(1) Die drei vorangehenden Worte sind unterpunktiert.

Überlieferung:

Hamburg, StA, Senat Cl. I Lit. O b Nr. 21 d 1, fol. 2r, Orig., lat., Perg.

Kommentar:

Das vom Kleriker der Bremer Kirche Gottfried von Buchken aufgenommene Protokoll mit Zeugenaussagen - als Teil einer in Hamburger Beständen überlieferten Pergamentrolle aus zwölf aneinander genähten Blättern - gehört zu einem Prozess zwischen dem Bremer Kleriker Konrad, Sohn des Hamburger Bürgers Johannes Hemmelrik, und dem Dannenberger Bürger Hinrich Picht, der zunächst (1339/40) vor Ort in Lüneburg, Hamburg und Buxtehude (vor dem Propst des Nonnenklosters zu Buxtehude, Arnold) und später (1341-45) vor dem päpstlichen Stuhl in Avignon verhandelt wurde. Streitwert war eine Forderung Hemmelriks in Höhe von 20 1/2 Hamburger Mark. Der Zeuge Nikolaus Wulf scheint dabei seine Aussage am 9. Mai 1340 in Lüneburg zu Protokoll gegeben zu haben, die Zeugen Gottfried Grove und Johannes von Cuden wurden zu einem nicht näher bestimmbaren Termin im Mai 1340 in Hamburg befragt. Die Zeugenaussagen belegen, dass Johannes Vrese, Dannenberger Bürger, u. a. Geld bei Juden (die nicht näher lokalisiert werden, aber wohl im Raum Dannenberg und Lüneburg ansässig waren) aufgenommen hatte, sein Vermögen nicht ausreichte, um die Gläubiger zu befriedigen und sein Rechtsnachfolger Hinrich Picht eher gewillt war, die Forderungen Hemmelriks als die der Juden zu begleichen. Zum Prozess, der offenbar schon an der Frage des Zuständigkeit scheiterte vgl. Reetz, Prozesswesen (1963/64). Die Prozessunterlagen gelangten über den juristischen Vertreter des Klägers, den später für den Hamburger Rat tätigen Prokurator Hinrich Buglant, in das Hamburger Archiv.

(Johannes Deißler) / Letzte Bearbeitung: 22.01.2021

Zitierhinweis

Corpus der Quellen zur Geschichte der Juden im spätmittelalterlichen Reich, hg. v. Alfred Haverkamp und Jörg R. Müller, Trier, Mainz 2020, NO01, Nr. 214, URL: https://www.medieval-ashkenaz.org/NO01/NO-c1-001z.html (Datum des Zugriffs)

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