Quellen zur Geschichte der Juden im Bistum Konstanz (1273-1347)

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Bm. Konstanz 1, Nr. 234

[um 1345], [Ravensburg]

Ein im Ravensburger Stadtrecht (1) enthaltener Judeneid aus der Zeit um 1345 (2) schreibt vor, dass Juden, wenn sie ein Verbrechen bestreiten, in der Synagoge unter Nutzung eines Buchs schwören soll, welches die zehn Gesetze Moses enthält (Quando iudeus debet iurare super causa, quam negat, debet ire ad scolam suam et debet iurare in libro, in quo continentur decem precepta et debet sic dicere). (3) Der Jude soll dann bei Gott und den zehn Geboten schwören, dass er der Anklage unschuldig sei und auch nichts darüber wisse (Ich swere bi dem almaichtigen got und bi der ê, so unserre herre got von himelrich Moysi gab ûf dem berge monte Synai, daz ich der sache, der man mich schuldegot, unschuldic pin noch niht wais). Der Jude soll diesen Eid entweder binnen sechs Wochen und zwei Tagen nach Aufforderung oder direkt schwören (Der jude het den gewalt, daz er sweren sol uber zwen tag und sehs wuͦchen, so im ertailt wirt, daz er sweren sol, ald wil er, so swiert er ze male als we vorgescriben ist). (4)

(1) Die Entstehung der überliefernden Handschrift ist um das Jahr 1330 anzusetzen; vgl. Oberschwäbische Stadtrechte 2, S. 16. Der betreffende Judeneid findet sich inhaltsgleich und nur mit leichten sprachlichen Abweichungen noch in den späteren Ravensburger Stadtrechtssammlungen (StadtA, Ravensburg, Bü 19a, fol. 8r, und StadtA, Ravensburg, Bü 19b, fol. 61r). Ersteres wird nach dem Ravensburger Stadtarchiv als 'Stadtrecht A' jedoch in Oberschwäbische Stadtrechte 2, als 'Stadtrecht B' bezeichnet. Diese Rechtsverfassung wurde um 1361-1365 begonnen (vgl. Oberschwäbische Stadtrechte 2, S. 27). Als 'Stadtrecht B' führt das Stadtarchiv Ravensburg hingegen die letztere Sammlung, die bei Müller als 'Stadtrecht C' tituliert wird. Dieses stammt aus der 1. Hälfte des 15. Jahrhunderts, begonnen zwischen 1417 und 1422, und wurde vormals im Spitalarchiv zu Ravensburg aufbewahrt (vgl. Oberschwäbische Stadtrechte 2, S. 9). Zwischen diesen beiden Stadtrechten ist kaum ein Unterschied feststellbar, während hingegen die noch jüngeren den Judenparagraphen nicht mehr enthalten. Er findet sich darüber hinaus auch im Stadtrecht von Waldsee (Waldsee, StadtA, Nr. 69, fol. 19r/v), welches inhaltlich in die Mitte des 14. Jahrhunderts zu datieren ist und in einer um 1420 zu datierenden Handschrift überliefert ist (vgl. Oberschwäbische Stadtrechte 2, S. 7 und 22-24; Hochdorfer, Stadtrecht (1980), passim; Buck, Recht (1993), S. 11 und 29 f.) Ravensburg wird mehrfach als Oberhof für Waldsee erwähnt; vgl. z. B. innerhalb des vorliegenden Corpus KN01, Nr. 50 und KN01, Nr. 182.

(2) Müller datiert den Eintrag unter Vergleich mit den Händen der gleichzeitig entstandenen Bürgerliste der Stadt Ravensburg in den Anfang des Jahres 1345 (Oberschwäbische Stadtrechte 2, S. 17 f. und 105, Anm. a.). Veitshans, Judensiedlungen (1970), S. 30, hingegen nennt das Jahr 1342 mit Bezug auf eben jene Textstelle bei Müller. Diese Verlesung hat daraufhin auch Eingang in Geschichte der Juden 2 (2002), S. 281, gefunden und ist zu korrigieren.

(3) Dieser Passus ist in den späteren Stadtrechtsredaktionen ins Deutsche übersetzt worden.

(4) Vgl. dazu SR01, Nr. 4. Im Esslinger Stadtrecht, das an diesem Tag an die Stadt Brackenheim übertragen wurde, findet sich eine ähnliche Vorschrift. In dem Stadtrecht von Waldsee (Waldsee, StadtA, Nr. 69, fol. 19r/v) wird zunächst die Frist zur Ablegung des Eides vorangestellt und dann erst der eigentlich Eid und die dazugehörige Prozedur vorgetragen. Außerdem fehlt die Erwähnung der Judenschule und darüber hinaus unterscheidet sich die Wortwahl deutlich von den Ravensburger Stadtrechtstexten (Hochdorfer, Stadtrecht (1980), S. 65).

Überlieferung:

Ravensburg, StadtA, Bü 18f, fol. 8r, Orig., dt. und lat., Perg.

Kommentar:

Die Stadt Ravensburg hatte am 15. Juli 1296 von König Adolf von Nassau das Recht der Stadt Ulm übertragen bekommen, welches anlässlich dieses Ereignisses am 9. August 1296 eigens zusammengestellt und nach Ravensburg versandt wurde. Darin findet sich kein Judeneid (EL01, Nr. 78). Am 10. Januar 1286 war die Stadt bereits von König Rudolf von Habsburg mit dem Recht der Stadt Überlingen versehen worden (WUB 9, Nr. 3498, S. 56 f.), aus welchem sich ebenfalls kein entsprechender Judeneid überliefert hat. Man vergleiche jedoch eine ähnliche Vorschrift im Esslinger Stadtrecht, das am 29. Mai 1280 an die Stadt Brackenheim übertragen wurde (SR01, Nr. 4).

(Michael Schlachter) / Letzte Bearbeitung: 29.07.2020

Zitierhinweis

Corpus der Quellen zur Geschichte der Juden im spätmittelalterlichen Reich, hg. v. Alfred Haverkamp und Jörg R. Müller, Trier, Mainz 2020, KN01, Nr. 234, URL: https://www.medieval-ashkenaz.org/KN01/KN-c1-003p.html (Datum des Zugriffs)

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