Quellen zur Geschichte der Juden im Elsass (1273-1347)

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Elsass 1, Nr. 130

1327

Zu den Ereignissen des Jahres 1327 ist im Autograph der Chronik Johannes' von Winterthur ein von anderer Hand geschriebener Zettel eingelegt worden, der Folgendes wiedergibt: Um dieselbe Zeit (circiter ista tempora) beabsichtigte ein von einem bösen Geist betörter (maligno spiritu dementatus) Lektor im Orden der Minderbrüder (quidam lector in ordine fratrum Minorum) zum Judentum zu konvertieren. Bei den Juden wurde er schließlich auch in einer elsässischen Stadt (in quodam oppido Alsacie) von den Brüdern ergriffen und zu diesen geführt. Da er ihre Argumente nicht akzeptierte und weiter an seinem Irrglauben festhielt, sollte er unter strenger Bewachung nach Würzburg (in Herbipolim) geführt werden. Als der Gefangenenzug in Wertach (ad quoddam oppidum dictum Werdach) (1) eine Rast einlegte, sperrte man ihn während des Aufenthalts in die stupa hospicii fratrum ein. Daraufhin rief dieser vom Fenster aus den Leuten auf der Straße zu, dass er kein Christ, sondern ein Jude sei und auch als Jude sterben wolle. Als Beweis dessen wolle er sich selbst vor aller Augen erstechen. Sogleich fügte er sich mit einem unvorsichtigerweise in der Stube zurückgelassenen Messer tödliche Wunden zu. Schwer verletzt brachte man ihn noch nach Würzburg, wo er am folgenden Tag verstarb und im Garten (in orto) des Franziskanerkonvents bestattet worden sein soll (2).

(1) Es dürfte sich kaum um den Ort Wertach im Oberallgäu gehandelt haben, da dieser über keine Niederlassung der Franziskaner verfügte.

(2) Es erscheint erstaunlich, dass ein dem Christentum entsagender Bruder, der zudem Selbstmord begangen hat, wenn schon nicht auf dem Friedhof des Franziskanerkonvents, dann aber zumindest in dessen Garten begraben wurde.

Überlieferung:

Zürich, Zentralbib., Ms. C 114 d, zwischen S. 54 und 55 des Manuskripts eingelegter Zettel, Orig. (Mitte 14. Jh.; Autograph des Verfassers; hier: eingeschobener Zettel von anderer Hand), lat., Papier; zur weiteren handschriftlichen Überlieferung vgl. Chronica Iohannis Vitodurani, S. XXXI-XXXVII.

  • Chronica Iohannis Vitodurani, S. 85 (dort auch auf S. XXXV-XXXVII zu älteren Editionen).
  • Mentgen, Kiddusch ha-Schem (2011), S. 160;
  • GJ 2, 1, S. 202 f.

Kommentar:

Zu Johannes von Winterthur und seiner Chronik vgl. ###CP1-c1-007s###. Die Begebenheit ist auf einem losen Blatt der Chronik Vitodurans zum Jahre 1327 eingefügt. Die Schrift entspricht nicht derjenigen in der als Autograph Johannes' gedeuteten Chronik. Da diesem die darin geschilderten Episoden überwiegend mündlich, möglicherweise aber auch bisweilen schriftlich zugetragen wurden, könnte es sich bei dem Zettel um eine Vorlage handeln, die er vielleicht mit Rücksicht auf seinen eigenen Orden nicht in die Chronik aufgenommen hat.

(jmü.) / Letzte Bearbeitung: 03.05.2017

Zitierhinweis

Corpus der Quellen zur Geschichte der Juden im spätmittelalterlichen Reich, hg. v. Alfred Haverkamp und Jörg R. Müller, Trier, Mainz 2014, EL01, Nr. 130, URL: https://www.medieval-ashkenaz.org/EL01/CP1-c1-00dy.html (Datum des Zugriffs)

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